Bösartige Tumoren im Darm sind keine Seltenheit. In Deutschland erkranken jährlich etwa 60.000 Menschen neu. Während Darmkrebs – gerade wenn er früh entdeckt wird – heute zu 90 Prozent heilbar ist, kann es während der Darmoperation zu Komplikationen kommen, die zu Folgeerkrankungen oder Funktionsstörungen führen. Ein innovatives Verfahren, das sogenannte pelvine Neuromonitoring, ermöglicht jetzt mehr Sicherheit.
„Im kleinen Becken befinden sich komplexe Nervenstrukturen, die die Blasen-, Darmausgangs- und Geschlechtsfunktionen steuern. Weil diese sich auch bei minimal invasiven Operationen optisch schwer von anderem Gewebe unterscheiden lassen, besteht das Risiko, dass sie während des Eingriffs trotz korrekter OP-Technik verletzt werden“, erklärt Prof. Dr. Emile Rijcken, Leiter des UKM Darmzentrums. Infolge können Patienten, auch wenn der Tumor erfolgreich entfernt worden ist, unter Harn- und Stuhlinkontinenz
sowie Erektionsstörungen leiden. „Das bedeutet natürlich eine deutlich eingeschränkte Lebensqualität – gerade bei jungen Männern“, macht Rijcken darauf aufmerksam, dass bei der Krebstherapie heute nicht mehr nur die radikale Bekämpfung der bösartigen Zellen im Focus steht, sondern auch funktionelle Aspekte wichtig sind.
Durch den Einsatz des neu entwickelten pelvinen Neuromonitorings bei Enddarmkrebs-OPs können die Nerven im Bereich des kleinen Beckens nun überwacht werden. Bekannt ist ein ähnliches Verfahren schon aus der Schilddrüsenchirurgie, wo es zum Schutz der Stimmbandnerven während der OP seit längerem eingesetzt wird. „Auch bei komplizierten Rektum-Operationen können wir nun mit Hilfe kleiner Nadelelektroden die entsprechenden Gewebestrukturen antippen und mit elektronischen Impulsen stimulieren. Wir sehen und hören sofort die Antwort“, so Rijcken. Denn kommt der Chirurg einem Nerv zu nah und es droht Verletzungsgefahr, kann er sich nicht nur optisch sondern auch akkustisch und funktionell vergewissern, ob die jeweilige Struktur intakt ist.
Das pelvine Neuromonitoring findet bereits bei einer Vielzahl unterschiedlicher Eingriffe wie z.B. der Entfernung des Rektumkarzinoms erfolgreich Anwendung. „Auch für andere Darmerkrankungen wie der Colitis ulcerosa oder Darmentleerungsstörungen sowie für andere Fachbereiche, wie etwa die Gynäkologie und die Urologie, könnte das Verfahren von großem Nutzen sein“, betont der Leiter des interdisziplinären Darmzentrums. Die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten des Neuromonitorings werden derzeit in Studien weiter untersucht. Denn nicht nur bei Darmkrebs-OPs ist das Ziel neben einer guten Langzeitprognose immer auch eine gute Lebensqualität.