Es sind ganz besondere Klänge, die bei genauem Hinhören nicht nur in, sondern aufgrund des atemberaubenden Volumens auch bereits vor der katholischen Kapelle des UKM (Universitätsklinikum Münster) zu hören sind. Schließlich ist die Stimme eines professionellen Konzert- und Opernsängers längst kein Standard in Gotteshäusern, noch weniger an Krankenhäusern. Das Werk von Star-Komponist Vivaldi, das aktuell in der Waldyerstraße erklingt, ist Teil einer Reihe von Programmen, die in den kommenden Monaten unter anderem in der Semperoper in Dresden und im Konzerthaus Freiburg zu hören sein werden – dargeboten von Philipp Mathmann, Oberarzt und stellvertretender Direktor der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie am UKM. Denn der gebürtige Lippstädter hat gleich zwei Professionen: Als Countertenor ist er auf Bühnen in Deutschland, Europa und darüber hinaus unterwegs, als Mediziner ist er an der Uniklinik in Münster Ansprechpartner für Patientinnen und Patienten mit Stimmproblemen. „So verschieden die Berufe auf den ersten Blick auch sind: Wenn man ein so prominentes Hobby wie den Gesang beziehungsweise in meinem Fall damit sogar einen zweiten Beruf hat, ist es wichtig, ein medizinisches Fach zu wählen, wo auch ein gewisser Nutzen besteht, dass man eine Stimmausbildung hat“, erklärt Mathmann.
Am UKM behandelt er neben Profi-Sängern auch viele Menschen mit stimmrelevanten Berufen wie Lehrer, Schauspieler, Erzieher, Journalisten und Pfarrer. „Gerade in diesem Bereich ist es sinnvoll, eine geschulte Stimme zu haben, um bestimmte Dinge vormachen zu können“, so der Mediziner. „Deshalb kann ich zum Beispiel auch Patientinnen und Patienten, bei denen kein organischer Befund vorliegt, also keine auf den ersten Blick erkennbare Ursache die Probleme bereitet, gut helfen und ihnen Techniken zeigen, wie man in die Gesundung kommt.“ Erst Sonntag ist er von den Proben aus Dresden zurückgekommen, seit Montag wieder im Dienst der Klinik. Nicht immer ein einfacher Spagat, viel Zeit für Freizeit bleibt da nicht. Aber Mathmann, der mit drei Jahren Klavierspielen und Notenlesen lernte, lebt seinen Traum – in der Klinik ebenso wie auf der Bühne. Nach dem Dienst sucht er oft den Weg in die Kapelle am UKM, um dort außerhalb der Öffnungszeiten noch für ein bis zwei Stunden zu proben. Alternativ nutzt er einen schallisolierten Raum im Keller der Phoniatrie – denn wirklich heimlich kann ein Opernsänger nicht proben. „Ich habe ein gutes Verhältnis zu meinen Nachbarn – und das soll auch so bleiben“, sagt Philipp Mathmann mit einem Lachen, bevor bei der Frage nach seinen musikalischen Zielen neben dem Sänger auch wieder der Mediziner in ihm durchkommt. „Ich hoffe einfach, dass meine Stimme sich und mich noch viele Jahre weiterträgt. Denn Probleme können bei jedem und in jedem Alter auftreten – etwas, das immer passieren kann, weil sich unser Leben und unser Körper täglich verändern.“
Seinen Kolleginnen und Kollegen am UKM beschert er in diesem Jahr übrigens einen bisher einmaligen Moment: Das Weihnachtsvideo, in dem seit einigen Jahren ein bunt zusammengestellter Chor gemeinschaftlich erklingt, und das intern wie extern zu den Festtagen veröffentlicht wird, sollte 2021 wegen der Pandemie nicht zum zweiten Mal ausfallen müssen. Mathmann organisierte kurzerhand mit seiner Chefin und Klinikdirektorin Prof. Katrin Neumann am Cello, der Oberärztin Dr. Evelien Van Assche aus der Klinik für psychische Gesundheit an der Querflöte sowie seiner Pianistin Suwon Kim ein kleines Ensemble, das in der Kapelle am UKM gleich zwei Stücke zum Besten gab – und damit neben Weihnachtsstimmung und Gänsehaut zumindest für einen kurzen Moment eine willkommene Abwechslung im derzeit stark geforderten Gesundheitswesen garantiert!