Während sich vielerorts die Menschen nach Normalität sehnen, hat Arthur B.* eher bescheidene Wünsche: „Ich möchte meine Frau wiedersehen. Und sie, meine Kinder und Enkel in den Arm nehmen“, sagt der 60-Jährige auf seinem Zimmer im UKM (Universitätsklinikum Münster) deutlich bewegt. Er spricht langsam, teils noch entkräftet. Die sechste Woche im Klinikum bricht für ihn an, lediglich seine Frau konnte ihn selten besuchen und wenn, dann aufgrund seiner COVID-19-Infektion in kompletter Schutzausrüstung. Die meisten Patienten der ersten Infektionswelle sind mittlerweile entlassen, mehr als 40 waren es am UKM, im Schnitt 60 Jahre alt. Sieben sind verstorben, drei liegen derzeit noch im Klinikum. Doch keiner war so lange da wie Arthur B.
Die Erinnerungen an seine Einlieferung sind vage: Er hatte etwas Luftnot, war nicht richtig belastbar. Der niedergelassene Arzt handelte schnell und richtig, da die Sauerstoffsättigung des 60-Jährigen sehr schlecht war. Mit dem Rettungswagen ging es ins UKM, von der Notaufnahme wurde er auf die extra eingerichtete Station für COVID-19-Patienten verlegt. „Sein Zustand verschlechterte sich nach zwei Tagen so, dass wir ihn auf die Intensivstation verlegen mussten“, erinnert sich der organisatorische Leiter der Station, Dr. Martin Keller. Auf der Intensivstation kämpfte Arthur B. aufgrund eines Lungenversagens um sein Leben – mehr als 30 Tage lag der Mann aus dem Münsterland, der bis auf Bluthochdruck an keiner Vorerkrankung litt, dort. Knapp halb so viele, durchschnittlich 17 Tage, waren es bei den anderen Patienten am UKM.
Letzte Woche wurde er zurück auf die Normalstation verlegt, seit Freitag ist er endlich frei von COVID-19. Aber er ist noch gezeichnet von der schweren Erkrankung. „COVID-19 ist nicht nur eine Lungenentzündung“, erklärt Dr. Jan Sackarnd, Leiter der internistischen Intensivstation. „Im Vergleich zu anderen Intensivpatienten kommt es viel häufiger zu Nierenversagen und Störungen der Blutgerinnung. Auch das Immunsystem reagiert besonders: Nahezu alle Betroffenen haben im Verlauf weitere, meist bakterielle Infektionen bekommen.“
Für Arthur B. soll es in den nächsten Tagen in die Reha gehen; seine Hobbies Radfahren und Schwimmen oder die Berufstätigkeit sieht er trotzdem noch in weiter Ferne. „Ich möchte nicht verhehlen, dass sich die Zeit zieht, dass es sehr zehrt“, sagt er geschwächt, wenn auch dankbar zugleich. Aber die Ärzte machen ihm Mut. „Wenn man die Entwicklung der letzten Tage sieht, sind das sehr gute Fortschritte“, so Keller und Sackarnd. Zwar bleibe nach einer solch schweren Lungenentzündung oft eine Schädigung des Organs zurück. „Wir sind jedoch optimistisch, dass der Patient den Alltag wieder normal bestreiten kann und nur unter Belastung merken wird, dass er etwas kurzatmiger ist.“
Und von einem ersten kleinen Schritt Richtung Normalität, von einem besonderen Moment der vergangenen Tage, erzählt Arthur B. am Ende doch. „Das war ein Wassereis!“, schwärmt der Eisliebhaber, seine Stimme und seine Augen sprechen Bände in diesem Moment. Denn sein Geschmackssinn war wie bei vielen COVID-19-Patienten stark beeinträchtigt. „Es war ein Genuss!“
(*Name von der Redaktion geändert)