Die Bezeichnung „Perinatalzentrum Level 1“ versehen mit einem zusätzlichen „plus‘“ gibt es nicht. Trotzdem ist ihnen wichtig, zu sagen, dass das Perinatalzentrum am UKM mehr bietet als andere…
Schmitz: Was wir eher scherzhaft mit dem Begriff „Perinatalzentrum Level 1 plus“ sagen wollen, ist, dass wir hier am UKM deutlich mehr als nur die Grundanforderungen eines Perinatalzentrums Level 1 erfüllen. Die strukturellen Voraussetzungen und auch die geforderten Qualifikationen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden in besonderem Maße erfüllt. Wir erbringen überdurchschnittliche Leistung in Qualität und Quantität.
Omran: Nordrhein-Westfalen hat im Vergleich zu anderen Bundesländern eine sehr hohe Säuglingssterblichkeit. Wir am UKM arbeiten schon lange daran, diesen Zustand zu verbessern, indem wir rund um die Uhr versuchen, als Problemlöser zur Verfügung zu stehen. Das ist auch der Grund, warum wir am Wochenende oder nachts viele Frauen mit ungeborenen Kindern, die Probleme haben, hierher verlegt bekommen. Aber auch Kinder, die nach der Geburt Probleme zeigen, wo andere Häuser keine Lösung anbieten können, werden von uns aufgenommen oder sogar mit dem Baby-Notrettungswagen abgeholt, wenn ihr Zustand lebensbedrohlich ist. Um das zu bewerkstelligen braucht man ein sehr großes, gut trainiertes Team, das exzellente Geburtsmediziner aber auch Neonatologen rund um die Uhr im Einsatz hat.
Wie arbeiten Sie mit den Kliniken zusammen, die die Kinder ins UKM verlegen?
Schmitz: Mit unseren Kooperationshäusern haben wir eine sehr enge Kommunikation. Seit einem Jahr leiten wir ein vom Land NRW gefördertes Projekt zum Thema Telemedizin. Dabei stellen wir den kooperierenden Häusern spezielle Soft- und Hardware zur Kommunikation zur Verfügung. Im direkten Kontakt beraten wir die Kliniken in der Region zu speziellen Fragen der Geburts- und Pränatalmedizin.
Omran: Wir haben in den letzten Jahren die meisten unserer Kooperationshäuser persönlich bereist. Wir haben die Kollegen persönlich kennengelernt, Behandlungspfade besprochen und koordiniert und auch gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt. Es geht uns nicht darum, dass wir Patienten einwerben müssen. Stattdessen arbeiten wir in einem großen kollegialen Netzwerk, sodass Kinder, wenn sie gesundheitlich wieder stabil genug sind, vor Ort weiterbetreut werden können. Pränatal bedeutet das, wenn die Schwangeren aus der gefährlichen Phase der Frühgeburtlichkeit heraus sind, werden die werdenden Mütter wieder in die überweisenden Kliniken zurückverlegt. Die Idee ist es, so behütet wie möglich mit Müttern und Kindern umzugehen, um dann zu jedem Zeitpunkt die richtige Behandlung anbieten zu können. Die Zusammenarbeit ist so gut, dass wir sogar einigen Kooperationskliniken bei Engpässen ärztliches Personal zur Verfügung ge-stellt haben. Beide Seiten und vor allen Dingen Schwangere und Neugebore-ne profitieren von diesem kollegialen Austausch.
Schauen wir uns mal die Seite der Mütter an: Es ist ja vielleicht kein ganz leichter Schritt, erkennen zu müssen, dass die Situation so ist, dass man in ein Perinatalzentrum Level 1 gehen muss, weil sonst die eigene oder die Gesundheit des Kindes auf dem Spiel steht…?
Schmitz: Ja, im ersten Moment haben viele Respekt davor, dass sie zu uns „müssen“. Aber wir sind Referenzzentrum: Wir versuchen, nur das zu tun, was unbedingt notwendig und für die Familien das Richtige ist. Und nicht alle MÜSSEN, sondern WOLLEN auch hier entbinden, denn hier arbeiten nette Menschen und wir haben alles vor Ort. Zum Beispiel haben wir eine eigene Blutbank am UKM und müssen im Notfall das Blut nicht mit dem Hubschrauber einfliegen. Viele Patientinnen spiegeln uns, dass durch diesen anfangs erwähnten „Plus-Charakter“ sie auch ein Plus an aufgehoben sein verbinden. Zudem spielt der Faktor Zeit für die Eltern eine extrem große Rolle. Oft hören wir später, wenn die Familien zu einer Nachbesprechung zu uns kommen, dass es für sie mit das größte Plus war, dass wir uns die Zeit genommen haben, individuell auf sie einzugehen.
Omran: Dadurch, dass wir uns täglich mit schwerkranken Patienten ausei-nandersetzen müssen, ist für uns die menschliche Zuwendung eines der wichtigsten Dinge. Weil wir Patienten oft über Jahre betreuen und gut kennen, machen wir eine sehr menschliche, transparente und nahbare Medizin. Dadurch wollen manche gar nicht mehr weg.
Ein Perinatalzentrum funktioniert am Ende nur dann, wenn die Menschen und die Menschlichkeit im Zentrum stehen. Oft machen wir die Erfahrung, wie auch bei Krankheiten, die wir nicht heilen, sondern nur begleiten können, dass Eltern zu uns kommen und sagen, dass sie nie gedacht hätten, dass man am UKM so viel Nähe zulässt.
Welche Frauen müssen sich konkret an Sie wenden?
Schmitz: Grundsätzlich kann man immer zu uns kommen. Es gibt aber natürlich auch Schwangerschaften, da empfehlen wir eine Vorstellung in einem Perinatalzentrum Level 1, z.B. wenn eine Frühgeburt droht, es sich um eine Mehrlingsschwangerschaft handelt oder wenn Fehlbildungen des Kindes vorliegen. In allen Fällen werden die Familien bei uns allumfassend betreut. Wir sind eines der sehr wenigen Zentren in Deutschland, an denen jegliche Fachdisziplin zur Versorgung der Mütter und Kinder vorgehalten wird.
Omran: Wenn man zum Beispiel bei einer Mehrlingsgeburt mehrere Kinder gleichzeitig versorgen muss, reicht nicht nur ein Neonatologe. Und dann braucht man auch all die Disziplinen, die helfen, Kinder mit Fehlbildungen gut zu versorgen. Da geht es um Kinderchirurgie, aber auch Herzchirurgie. Viele Kinder brauchen einen Kinder-Neurochirurgen, um zum Beispiel Hirnfehlbildungen zu versorgen. Darüber hinaus haben wir eine sehr kompetente Kieferchirurgie und Kieferorthopädie, die in der Lage ist, Kinder mit angebo-renen Gesichtsfehlbildungen zu operieren, sowie Experten im Bereich der Kinderorthopädie, Kinderurologie, Augen- und Hals-, Nasen-, Ohren- Heil-kunde. Solch eine Expertise mit so vielen verschiedenen Disziplinen gibt es in Nordrhein-Westfalen kein zweites Mal. Wir sind froh und stolz ein so erfah-renes Team für Neugeborene am UKM zu haben.