Nur „eben schnell“ den Bohrer einspannen, ein kurzer Probelauf, bevor der Kollege übernimmt – und dann war der linke Daumen von Thomas Peters nicht mehr da, wo er sein sollte: Er war komplett abgetrennt, nachdem sich sein Handschuh verfangen hatte und die Fasern durch die Rotation des Bohrers zu einer gefährlichen Schlinge wurden. „Es waren Hundertstelsekunden, ein kurzer Moment der Unachtsamkeit und ich hätte nie gedacht, dass mir mal so etwas passiert“, sagt der 42-Jährige. Denn Peters ist Profi, seit 25 Jahren als Rollladen- und Jalousiebauer im Geschäft, die Geräte und Materialien kennt er bis ins kleinste Detail. Dass ausgerechnet er, der sich in Zeiten der Corona-Pandemie mit Handschuhen schützen wollte und dann das oberste Gebot „Keine Handschuhe an der Bohrmaschine!“ in Gedanken missachtete, macht ihn auch Wochen nach dem Unfall ratlos. „Die Handschuhe haben so einen hohen Tragekomfort, damit wir auch die Schrauben greifen können, man spürt sie kaum“, so der Handwerker.
Nur anderthalb Stunden nach dem Unfall lag Peters bereits auf dem Op-Tisch der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des UKM (Universitätsklinikum Münster). Sein Operateur: Prof. Dr. Martin Langer, mehrfach ausgezeichneter Handchirurg, ein Künstler seines Fachs, der in seiner Freizeit Insekten präpariert und sich damit auf solche mikrochirurgischen Eingriffe vorbereitet, bei denen jedes einzelne Gefäß, teils kleiner als ein Millimeter, wieder zusammengenäht werden muss. „Die Op ist gut verlaufen, aber erst nach etwa sieben bis acht Tagen weiß man bei solchen Eingriffen, ob der Finger erhalten bleiben kann“, erklärt Langer, der mit dieser Operation seinen 50. Daumen – allesamt „erfolgreich“, wie er betont – replantiert hat. Etwa 70 solcher Eingriffe an anderen Fingern kommen mit Blick auf seine dreißigjährige Laufbahn noch einmal hinzu. Zwar hätten abgetrennte Gliedmaßen durch immer höhere Sicherheitsstandards abgenommen. „Aber derzeit spüren wir hier in der Klinik deutlich, dass es mehr Verletzungen von Heim- und Handwerkern gibt, da sich teils Arbeitsabläufe durch Corona verändert haben, wie das Beispiel von Herrn Peters zeigt, und außerdem die Menschen mehr Zeit zuhause verbringen und verstärkt am Haus und im Garten arbeiten“, so der Handspezialist.
Bei Thomas Peters ist der Schock nach dem Unfall mittlerweile in Erleichterung übergegangen, auch wenn das Mittelgelenk versteift werden musste. Aber schon jetzt ist rein äußerlich kaum noch etwas zusehen, die filigrane Naht könnte auch eine Hautfalte sein. „Alle Kollegen und Therapeuten, die solche Fälle ja öfter sehen, sind begeistert“, erzählt Peters, der derzeit intensiv Physio- und Ergotherapie macht, um die Muskeln zu trainieren und die Nerven zu stimulieren. „Sollte am Ende die Sensitivität fehlen, könnte man noch mal mit einer Operation nachhelfen“, erklärt Prof. Dr. Martin Langer bei der Nachkontrolle. Aber auch er ist sehr zufrieden: Schon bald wird Peters, der Rechtshänder ist, wieder als Handwerker arbeiten, auch kleine Schrauben mit links wieder greifen können. Alles Dinge, die der junge Mann mit einem Stumpf am Daumen nicht mehr hätte machen können. „Dass ich schon bald wieder in meinem Beruf arbeiten kann, einen Fahrradlenker umfassen kann, dafür bin ich sehr dankbar und total glücklich!“