CDK4/6-Hemmer heißt der Lichtblick in der Krebstherapie, der holprig klingt, aber eine Medikamentengruppe beschreibt, die lange von Medizinern herbeigesehnt wurde. Diese Medikamente, die seit einem Jahr auch in Europa zugelassen sind, greifen direkt Metastasen an und hemmen das Zellwachstum deutlich – gesunde Zellen werden hingegen kaum beeinträchtigt. „Wir können den Krebs damit unmittelbar bekämpfen, ohne dass Betroffene starke Nebenwirkungen haben wie bei einer Chemotherapie“, erklärt Dr. Joke Tio, Leiterin des Brustzentrums am UKM (Universitätsklinikum Münster), die neuartige Wirkweise, von der auch ihre Patientin Ingrid S. profitiert.
Die 68-Jährige fühlt sich so gut wie seit zwei Jahren nicht mehr. „Ich bin nicht nur leistungsfähiger, sondern habe auch mehr Lebensfreude.“ Mehr noch: Sie kann wieder deutlich besser sehen. Eine Metastase am linken Auge, die ihr fast das Augenlicht nahm, hat sich nach dem Therapiebeginn mit dem CDK4/6-Hemmer stark zurückgebildet. Auch die Metastasen in der Lunge und Leber sind deutlich kleiner geworden. „Es ist außergewöhnlich, wie gut es der Patientin geht“, freut sich Tio. „Unser Ziel war, das Wachstum mithilfe der Medikamente – ohne Chemotherapie – zu stoppen. Aber jetzt sind die Metastasen sogar um die Hälfte kleiner geworden.“ Ein Bilderbuchverlauf.
Im Oktober war die Situation allerdings noch völlig anders. Zwar war Ingrid S. im Jahr 2009 schon einmal an Brustkrebs erkrankt, galt nach der operativen Entfernung des Tumors jedoch als geheilt. „Dann erhielt ich die neue Diagnose: metastasierter Brustkrebs. Und es wurden noch Hirnmetastasen entdeckt. Das war für mich ein Schock“, erzählt die Dorstenerin. Hatte sie acht Jahre zuvor noch diverse Bücher und Fachartikel zum Thema Brustkrebs gelesen, handelte sie diesmal ganz anders. „Ich wollte erst einmal nichts wissen, da ich es nicht verkraftet hätte.“
Sie entschied sich letztendlich nach Einholung weiterer ärztlicher Meinungen in Düsseldorf, Herdecke und Zürich für die Einnahme der neuen CDK4/6-Hemmer in Kombination mit einer sogenannten antihormonellen Therapie, um die Metastasen im Körper zu bekämpfen – aber gegen eine Strahlentherapie zur Bekämpfung der Hirnmetastasen. „Solange es nicht notwendig ist, möchte ich die vielen Nebenwirkungen, die eine Ganz-Kopf-Bestrahlung mit sich bringt, nicht auf mich nehmen“, sagt die Patientin, die mit täglicher Bewegung und ausgewogener Ernährung den Therapieverlauf bestmöglich unterstützt.
Denn ihr Leitsatz ist: Akzeptiere die Diagnose, aber nie die Prognose. „Ich richte meinen Fokus nach vorn und nur auf die Frage, was kann ich tun, um meinen Gesundheitszustand zu verbessern“, ist Ingrid S. positiv gestimmt. Und eine Prognose, ergänzt Dr. Joke Tio, sei bei Krebserkrankungen generell schwer zu treffen. „Aber die bisherigen Erfolge der neuen Medikamente sind sehr vielversprechend und sollte die Wirkung nachlassen, haben wir bei dieser Patientin die Möglichkeit, noch auf ein anderes Medikament umzustellen.“