Beim Rasieren fiel Lothar Becherer die kleine Hautveränderung an der rechten Wange auf. „Ich habe mir erstmal nichts dabei gedacht“, erzählt der 79-Jährige. Eine Woche später ging er in seiner Heimatstadt Bergkamen dann doch zum Hautarzt, um die Stelle sicherheitshalber kontrollieren zu lassen. Es wurden Proben entnommen und untersucht. Das beängstigende Ergebnis: Verdacht auf ein sogenanntes Merkelzellkarzinom, eine besonders aggressive Form von Hautkrebs.
Zur weiteren Behandlung ging Becherer ins UKM-Hauttumorzentrum, das zum Zentrum für Krebsmedizin des UKM (Universitätsklinikum Münster) gehört. Der Verdacht bestätigte sich. „Ich war völlig aufgelöst“, erinnert sich der Rentner. „Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet.“
Das war im September 2016. Dass Lothar Becherer heute wieder nach vorne blicken kann, verdankt er zu großen Teilen einer Immuntherapie mit einem neu zugelassenen Wirkstoff – dem PD-L1-Antikörper Avelumab. „Mechanismen, mit denen die Krebszellen sich vor dem Immunsystem verstecken, werden durch den Antikörper blockiert", erklärt Dr. Carsten Weishaupt, Leiter des UKM-Hauttumorzentrums. „Zudem aktiviert der Wirkstoff spezifische Immunzellen und ermöglicht somit eine gezielte Attacke des körpereigenen Abwehrsystems auf das bösartige Gewebe.“
Immuntherapien gelten als großer Hoffnungsträger in vielen Bereichen der Krebsmedizin. Beeindruckend sind bisher vor allem die Erfolge beim schwarzen Hautkrebs (Melanom) und beim fortgeschrittenen Lungenkrebs. Seit September 2017 ist nun der neue Antikörper Avelumab für die Therapie des metastasierten Merkelzellkarzinoms zugelassen. Mit deutschlandweit weniger als 400 Neuerkrankungen pro Jahr zählt es zu den seltenen Erkrankungen. Bei den meisten Patienten kann der auffällige violett-blaue und kugelige Tumor erfolgreich chirurgisch entfernt werden. Bei der Hälfte der Betroffenen kommt es jedoch trotz OP und Strahlentherapie zu einem Rezidiv, und bei einem Drittel entwickeln sich Metastasen. Auch bei Becherer brachten die bisherigen Standardtherapien zunächst nicht den gewünschten Erfolg. Der Tumor war so aggressiv, dass sich bereits kurze Zeit nach der chirurgischen Entfernung und noch während der anschließenden Strahlentherapie immer wieder neue Absiedlungen direkt unterhalb des rechten Auges und am Hals bildeten. „Ich habe die Hoffnung trotzdem nie aufgegeben“, blickt Becherer auf diese schwierige und für die gesamte Familie sehr belastende Zeit zurück.
Im November 2017 entschlossen sich Weishaupt und seine Kollegen in der interdisziplinären Hauttumorkonferenz, neue Wege bei der Behandlung zu gehen. „Die Wirkung der Immuntherapie ist beeindruckend“, berichtet der Dermatologe. Bereits nach den ersten drei Infusionen bildete sich der Tumor am Hals deutlich zurück. Inzwischen sind bei den regelmäßigen Kontrollen in den MRT-Bildern keine Metastasen mehr sichtbar. „Ich habe auch kaum Nebenwirkungen“, freut sich Lothar Becherer, der nur ab und zu ein wenig unter Müdigkeit leidet. „Endlich erweitern sich die Behandlungsmöglichkeiten bei Hautkrebs“, so Dr. Weishaupt. „Auch wenn wir nicht immer von Heilung sprechen können, führen die neuen Substanzen doch zu deutlich verbesserten Therapieerfolgen bei oft guter Lebensqualität.“