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Pressemeldungen Archiv 2018

Interview: Es gibt keine vollkommene psychische Gesundheit

Univ.-Prof. Dr. med. Dr. theol. Gereon Heuft, Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am UKM
Der Welttag der seelischen Gesundheit (10.10.2018) und die dazugehörige Aktionswoche will die Bevölkerung für die Probleme von psychisch und psychosomatisch Erkrankten sensibilisieren. Allein die Zahl der Krankschreibungen aufgrund von psychischen Beschwerden ist laut einer Auskunft der Bundesregierung zwischen 2008 und 2016 um rund 60 Prozent gestiegen. Univ.-Prof. Dr. med. Dr. theol. Gereon Heuft, Direktor der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie am UKM (Universitätsklinikum Münster), warnt vor einer Stigmatisierung und fordert Betroffene auf, sich Hilfe zu holen.

Wann spricht man von seelischer Gesundheit?
Zuerst einmal spricht der Fachmann von psychischer, nicht von seelischer Gesundheit, um die Abgrenzung zum Transzendentalen zu gewährleisten. Psychische Gesundheit ist, wenn man es salopp sagen will, etwas, was wir nie ganz erreichen. Jeder hat bessere und schlechtere Tage. Aber wir sprechen von psychischer Gesundheit, wenn jemand mit sich selbst sowie im privaten Umfeld – also seinen sozialen Beziehungen – ohne andauerndes Leid zurechtkommt.

Wodurch kann die psychische Gesundheit eingeschränkt sein?
Da gibt es eigentlich drei denkbare Ursachen. Einmal: ich komm mit meinem Leben im Großen und Ganzen gut zurecht – und dann passiert etwas, was mich von außen trifft. Also, dass mich zum Beispiel jemand bewusst angreift oder verletzt. Oder zweitens: Ich erkranke schicksalhaft, beispielsweise eine Krebserkrankung, und ich komme mit dem Kranksein nicht zurecht. Und zum Dritten können intrapsychische Themen vorliegen, die unverarbeitet sind. Zum Beispiel wenn ich mich schon in meiner Herkunftsfamilie als Kind zurückgesetzt gefühlt habe, gekränkt worden bin durch Eltern, die nie Zeit hatten oder mich abgewertet haben. Das kann sich so auswirken, dass, wenn ich erwachsen bin, ich aus diesen Erfahrungen heraus beispielsweise eine hohe Kränkbarkeit habe. Und wenn dann etwas am Arbeitsplatz oder im Privatleben passiert, zum Beispiel, mein Partner oder die Partnerin geht fremd – was eine sehr kränkende Erfahrung ist – dann kann das zum Auslöser werden, dass man psychische oder psychosomatische Symptome entwickelt.

Die Woche der seelischen Gesundheit will aufklären: Warum werden Menschen, die mit einer psychischen Erkrankung zu tun haben, immer noch stigmatisiert?
Menschen, die noch nie eine psychische Problematik hatten, halten das Thema oft von sich fern, indem sie sagen: Die anderen, die haben das Problem. Insofern entlasten sie sich selbst durch Glaubenssätze wie: „Ich krieg nie eine Depression! Ich bin belastbar und überhaupt nicht kränkbar –  anders als andere.“ Mit dem Zeigen des Fingers auf die anderen zeigen sie aber indirekt auf sich selbst zurück und wollen nur nicht wahrhaben, dass auch sie selber betroffen sein könnten. Und dann gibt es noch einen hohen und weit verbreiteten Grad an Selbststigmatisierung. Beispielsweise die Mutter, die sich aufgrund ihrer psychischen Belastung nicht um ihr Kind kümmern kann, und die von sich selbst deshalb sagt: „Ich bin ein Versager!“ Das kann aus dem Gefühl der eigenen Wertlosigkeit heraus dann bis hin zur Suizidalität führen.

Wenn man sich die steigende Zahl von Krankschreibungen vom Menschen im Beruf aufgrund von psychischen Erkrankungen ansieht, handelt es sich offenbar um ein wachsendes gesellschaftliches Phänomen: Muss da mehr aufgeklärt werden?
Ich finde jedenfalls, dass es immer Sinn macht, aufzuklären. Wir haben Aufklärungsbedarf vor allem mit Blick darauf, dass es eben gute Behandlungsmöglichkeiten gibt. Vor allen Dingen in Fällen, wo die Betreffenden sich total zurückziehen oder denken, wegen ihrer körperlichen Beschwerden sei ihnen sowieso nicht zu helfen. Diese Menschen sollten erfahren, dass da Hilfe möglich ist. Und auch die Angehörigen, Freunde oder Beziehungspartner müssen wissen, dass sie unterstützen können und sagen, „Mensch, probier‘ das doch einfach mal, führe mal ein Beratungsgespräch und nimm die Hilfe an!“

Wann ist der Punkt erreicht für den Einzelnen, dass er losgehen sollte, um sich Hilfe zu holen?
Der Dreh- und Angelpunkt ist das persönliche Leiden. Und da sollte man nicht versuchen, den Helden zu spielen! Wenn man für sich persönlich merkt, sei es nun nach einem äußeren Ereignis oder nach einer Lebensveränderung, oder in Einzelfällen auch scheinbar ohne äußeren Auslöser: Ich tue mich zunehmend schwerer mit der Bewältigung meines Alltags. Aufgrund eines verminderten Antriebs, wegen Ängsten oder körperlicher Beschwerden. Oder mir sagen Menschen von außen, dass ich mich zum Nachteil verändert habe: Dann sollte ich zumindest einmal eine Diagnostik wahrnehmen. Damit ist ja noch nichts passiert: Ich bleibe ja immer Herr und Frau des Verfahrens! Ich kann mich unverbindlich beraten lassen, welche therapeutischen Möglichkeiten es für mich gäbe, und dann bin ich selbst am Zug. Es bleibt ein Angebot, ohne dass mir etwas aufgezwungen wird.

ukm/aw
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