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49 Jahre alt musste Barbara Kleffmann erst werden, bis sie endlich die richtige Diagnose bekam. Am Ende brachte erst eine genetische Untersuchung Klarheit darüber, dass die Bielefelderin vom Ehlers-Danlos-Syndrom betroffen ist. Von Geburt an hatte die heute 65-Jährige Magen-, Darm- und Nierenprobleme: „Ganz abgesehen davon, dass ich ungelenk wirkte und meine Gelenke extrem dehnbar sind. Ich bin dauernd auf die Nase gefallen und galt bei allen als tolpatschig und ungeschickt“, sagt sie.
„Es ist leider keine Seltenheit, dass oft Jahrzehnte vergehen bis zur richtigen Diagnosestellung“, sagt Prof. Johannes Kleinheinz, Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie am UKM (Universitätsklinikum Münster). „Die seltenen Erkrankungen sind auch und gerade in der Zahnmedizin immer noch die Waisen. Deswegen sind wir froh, dass unsere Klinik kürzlich Teil des Centrums für Seltene Erkrankungen hier am UKM geworden ist und dort nun angebunden ist.“
Barbara Kleffmann leitet inzwischen einen von bundesweit zwei Vereinen, in denen sich Ehlers-Danlos-Patienten organisiert haben. Sie ist damit zur Expertin für ihre eigene Erkrankung geworden. Heute weiß sie, dass das Syndrom eine Störung der Kollagenbildung in allen Bindegewebsstrukturen des Körpers bewirkt. Das führt zu instabilen Gewebeverbindungen, die im Ernstfall auch spontan zusammenbrechen können. Besonders wenn innere Organe betroffen sind, kann das lebensbedrohlich sein. In der Mundhöhle äußert sich die Erkrankung häufig durch eine schwere chronische Parodontitis, die auch schon in sehr jungen Jahren zu komplettem Zahnverlust führen kann.
„15 Prozent aller seltenen Erkrankungen äußern sich unter anderem durch Symptome in der Mundhöhle“, sagt Dr. Marcel Hanisch, Oberarzt der Klinik und Leiter der Spezialsprechstunde für Seltene Erkrankungen mit Beteiligung der Mundhöhle. „Wenn zum Beispiel mehrere bleibende Zähne nicht angelegt sind, könnte das ebenfalls ein Hinweis darauf sein, dass ein seltenes genetisches Syndrom dahinter steckt. Das wissen selbst Zahnärzte oft nicht, weil die seltenen Erkrankungen in der Zahnmedizin bisher kaum beachtet wurden“, so Hanisch weiter. Als Experte für eben jene seltenen Erkrankungen in der Zahnmedizin versucht er derzeit, Fördermittel zur Erstellung eines anonymisierten Patientenregisters einzuwerben, das die Erfahrungen der medizinischen Versorger für das für jede Erkrankung verhältnismäßig kleine Patientenklientel zusammentragen soll. So soll allen Behandlern ein breiterer Überblick über Symptomatik und Behandlung ermöglicht werden.
Um das Thema mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu bringen, findet in Münster am 25. November der erste nationale Kongress für seltene Erkrankungen in der Zahn-, Mund und Kieferheilkunde statt, den die Experten des UKM leiten. Auch Barbara Kleffmann wird für ihren Patientenverein und als Ansprechpartnerin für ganz NRW vor Ort sein, um Kontakte zu Experten zu vertiefen.
Seltene Erkrankungen in der Zahn-, Mund- und KieferheilkundeSamstag, 25. November 2017, 9.00 bis 17.00 Uhr
Messe- und Congress Centrum Halle Münsterland
Albersloher Weg 32
48155 Münster