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Brigitte Grauers* (*Name der Redaktion bekannt) Schmerzgeschichte ist verhältnismäßig kurz: „Zum Glück!“, sagt die 47-Jährige: „Ich hatte Menschen in meinem Umfeld, die mir den Tipp gaben, mich hier in der Schmerzambulanz am UKM (Universitätsklinikum Münster) vorzustellen.“ Seit 2013 plagt sich die Bauleiterin mit dumpfen Schmerzen unklarer Genese im Kiefer. Manchmal strahlten diese aus bis in den Hinterkopf und zum rechten Auge. Bisher konnte aber kein Arzt einen körperlichen Grund dafür finden. „Das ist nicht so selten“, weiß der Leiter der Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie, Priv.-Doz. Dr. Daniel Pöpping. „Es gibt keinen eingebildeten Schmerz. Der Leidensdruck der Patienten ist real. Schmerz kann neben körperlichen auch seelische Ursachen (Überforderung, Stress, Depression, Ängste) oder eine Kombination aus beidem haben.“Für Grauer* folgte ein vierwöchiger Aufenthalt in der Tagesklinik der Schmerzambulanz. Acht Patienten können hier aufgenommen werden, jeder Einzelne bekommt eine individuelle Behandlung. Die Patienten sollen sich neu fokussieren: „Wir versprechen nicht, dass wir jemanden komplett von seinen chronischen Schmerzen befreien. Wir können lediglich helfen, besser mit den Schmerzen umzugehen, so dass sie den alles bestimmenden Stellenwert im Leben unserer Patienten verlieren.“ Dabei legen die Schmerz-Experten einen multimodalen Ansatz zu Grunde: Neben der medizinischen Behandlung mit Differenzialdiagnose und medikamentöser Einstellung gehören auch eine psychotherapeutische Einzel- und Gruppentherapie und verschiedene Elemente der physio- und kreativtherapeutischen Behandlung zu den Säulen des Behandlungs-konzepts. „Krankengymnastik, Nordic Walking, Entspannungstraining oder sogar Kunsttherapie – unsere Patienten sind im ersten Moment überrascht. Für das Gelingen des Aufenthalts hier ist aber ein unbedingtes ‚sich Einlassen‘ notwendig. Wir bieten neben Medikamenten auch Alternativen. Dazu brauchen wir das Vertrauen unserer Patienten und den Willen, neue Wege zu gehen“, erklärt Pöpping. „Bei der Kunsttherapie habe ich im ersten Moment schon dicht gemacht – das konnte ich mir gar nicht vorstellen“, gibt Brigitte Grauer* grinsend zu, „aber wenn ich ehrlich bin, war ich gleich in der ersten Therapie-Stunde das erste Mal seit langer Zeit wirklich schmerzfrei.“ Entlassen werden die Patienten nach vier Wochen mit einer konkreten Anleitung, wie sie selbst etwas gegen die Schmerzattacken, die immer noch auftauchen, tun können: „Das ist vor allem eine Frage des Kopfes“, weiß Pöpping. „In den vier Wochen bei uns haben die Patienten idealerweise gelernt, den Teufelskreis des Schmerzes gedanklich zu durchbrechen. Sie nehmen den Schmerz mit nach Hause – aber sie haben gelernt, anders damit umzugehen. Brigitte Grauer* kann das nur bestätigen: „Es ist nun mir überlassen, ob ich mich in den Schmerz hineinsteigere. Das muss ich nicht, denn ich weiß: Er lässt irgendwann wieder nach! Es sind nur Schmerzen, nichts Wildes, keine Krankheit.“