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In seiner irakischen Heimat wäre Mustafa wie ein Aussätziger behandelt worden: Mit seinen mehrfach deformierten und fehlgebildeten Klumpfüßen hätte er niemals einen Beruf erlernt und seine Zukunft wäre vermutlich in jeder Hinsicht perspektivlos gewesen. Das Elternhaus in Bagdad sei durch den IS zerstört worden, sagt er. Das sei der Auslöser gewesen, sich auf einen langen Weg zu machen. Der Weg nach Deutschland, der ihm eine bessere Zukunft in Würde ermöglichen sollte. „Ich hatte gehört, dass die Ärzte hier meine Füße operieren könnten“, sagt Mustafa. Mit knapp 15 Jahren lief er los. Größtenteils zu Fuß ging die Reise zunächst nach Griechenland, später dann teils mit Bussen Richtung Dortmund und dann in den Kreis Warendorf. Seitdem ist er in der Abteilung für Kinderorthopädie am UKM (Universitätsklinikum Münster) in Behandlung. „Das Bild, das sich uns bot, als Mustafa sich hier zum ersten Mal vorgestellt hat, war einfach unbeschreiblich“, so der leitende Oberarzt, Dr. Björn Vogt: „Seine deformierten Füße waren offen bis auf den Knochen. Die tiefen Wunden waren infiziert und vereitert. Er ist den ganzen Weg über wegen der Fehlstellung auf dem Fußrücken gelaufen. Dass er es hierher geschafft hat, ist eigentlich unvorstellbar.“ Mit den ersten Operationen musste zunächst die schwere Entzündung zur Ausheilung gebracht werden – gerade am Anfang war das Risiko, dass der linke Fuß amputiert werden muss, extrem hoch. Nachdem das Team die Infektion im Griff hatte, machten sich die Kinderorthopäden daran, möglichst viel des lädierten Knochens zu erhalten. Allerdings musste zur Korrektur der massiv deformierten Füße auf beiden Seiten das Sprunggelenk versteift werden.
Inzwischen haben Chefarzt Prof. Robert Rödl und seine Mannschaft Mustafa insgesamt 16 Mal operiert: Er läuft – und zwar so, dass man auf den ersten Blick seine schwere Behinderung gar nicht mehr erkennt. Lediglich seine hohen orthopädischen Schuhe erinnern daran, dass Mustafa nicht mit seinen Mitschülern um die Wette rennen kann. „Mustafa ist natürlich ein extremer Fall“, sagt sein Arzt, Björn Vogt. „Aber dass er es überhaupt hierher geschafft hat, dass er trotz der vielen strapaziösen Operationen gut Deutsch gelernt hat und dass er voran kommen will, macht ihn auch zu einem einzigartigen Patienten. Sein Lebensmut und sein Lachen stecken einfach an.“
In diesem Monat steht bei Mustafa die vorerst letzte OP an, die noch sein verkürztes Bein um sechs bis sieben Zentimeter verlängern soll. Dazu wird ein Marknagel in den Unterschenkel implantiert, der den Knochen über Wochen durch einen äußerlich angewendeten Magneten Millimeter für Millimeter auseinanderzieht, bis der neue Knochen so lang ist, wie gewünscht. Prof. Rödl freut sich: „So besonders der Fall von Mustafa auch sein mag: Er steht exemplarisch für viele Flüchtlingskinder, denen wir hier helfen konnten. In ihren kriegs- und krisengeplagten Heimatländern dagegen, hätten die allermeisten von ihnen mit der meist mangelhaften medizinischen Versorgung keine Chance auf ein normales Leben gehabt.“
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