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Unsere Zähne werden immer gesünder, die meisten von uns haben bessere Zähne als unsere Eltern oder Großeltern. Welche Ursachen hat das?Die Verbesserung der Mundgesundheit und im Speziellen der Zähne lässt sich in erster Linie auf die Gesundheitsaufklärung und die Prophylaxe zurückführen. Eltern sind heute generell besser über Krankheiten wie Karies und Parodontitis informiert als früher und legen deshalb einen größeren Wert auf die Mundhygiene ihrer Kinder. Viele von ihnen putzen beispielsweise die Zähne ihrer Kinder nach, wenn sie es noch nicht richtig können. Ein weiterer Aspekt ist die Aufklärung über den Zahnarzt, wie die richtige Ernährung aussehen sollte. Welche Essgewohnheiten können denn Karies verursachen?
Man sollte zum Beispiel möglichst wenige Zwischenmahlzeiten einnehmen. Grob lässt sich sagen, dass nach einer halben Stunde nach einer Mahlzeit die Bakterien im Mund den Stoffwechsel ankurbeln; dort entstehen Säuren und die demineralisieren den Zahn. Dann braucht der Speichel ungefähr zwei bis drei Stunden, um diesen Säureschaden wieder mit Mineralien auszugleichen. Wenn ich also nicht so oft am Tag esse, ist das Risiko für Karies geringer. Und generell schadet vor allem Zucker den Zähnen, oft ist er in Lebensmitteln versteckt. Und auch wenn von „zuckerfrei“ die Rede ist, können Fructose und Glucose enthalten sein – diese verursachen auch Karies. Wie wirkt sich die verbesserte Prophylaxe denn auf die Patientenzahlen aus?
Wenn die Prophylaxe wirkt, dann bedeutet das natürlich für den Zahnarzt, dass die klassischen Erkrankungen in seinem Fachgebiet weniger werden. Die Zahnheilkunde wird sich deshalb auf ein anderes Krankheitsbild einrichten. Es wird eine Form der Polarisierung geben, dass eher wenige Menschen von einer Krankheit betroffen sind, dann aber womöglich schwerer erkrankt. Aber auch das Bildungsniveau von Eltern hat einen großen Einfluss auf das Risiko der Kinder, an Karies zu erkranken – dies liegt an medizinischer Aufklärung über Ernährung und Mundhygiene, die nicht gleich verteilt ist. Für die Zahnheilkunde wird perspektivisch somit auch die Beratung von Eltern eine noch viel größere Rolle spielen. Was sind aktuell die häufigsten Beschwerden von Patienten?
Die zwei häufigsten Krankheiten im Mund sind Karies und Parodontitis. Bei der Karies sehen wir allerdings seit gut 20 Jahren einen generellen Rückgang. Mittlerweile nimmt Deutschland eine weltweite Spitzenposition ein, was die Verhütung von Karies anbelangt. Die Parodontitis ist eine Volkserkrankung: Jeder zweite Erwachsene hat diese Entzündung des Zahnhalteapparates in einem unterschiedlichen Ausmaß. Hier haben wir in den letzten Jahren einen Anstieg der Fälle verzeichnet, wenngleich die Anzahl der besonders schweren Erkrankungen in diesem Bereich zum ersten Mal leicht zurückgegangen ist. Wir sehen also auch hier, dass die Vorsorgemaßnahmen tendenziell zu mehr Mundgesundheit führen. Stichwort Demografischer Wandel: Gibt es eine Veränderung im Behandlungsspektrum aufgrund der alternden Bevölkerung?
Die Gruppe der über 80-Jährigen nimmt stark zu, deswegen rücken diese Patienten auch stärker in unseren Fokus. Wir müssen uns beispielsweise darauf einstellen – wie andere medizinische Disziplinen auch – Hausbesuche anzubieten. Grundsätzlich ist es so, dass aufgrund der verbesserten Prophylaxe zukünftige Generationen erst viel später im Leben mit Erkrankungen im Bereich der Zahnheilkunde zu tun haben werden. Das führt dazu, dass die Zahnheilkunde eines Tages Patienten behandeln wird, die aufgrund ihres Alters auch Erkrankungen in anderen Bereichen mitbringen. Zum Beispiel erfordern Menschen, die aufgrund einer Herzerkrankung Mittel zur Blutverdünnung einnehmen, eine spezielle zahnärztliche Therapie, denn hier kommt es öfter zu Blutungen. Welche Herausforderung sehen Sie auf die Universitätszahnmedizin in den kommenden Jahren zukommen? In der Krankenversorgung stellen wir uns auf insgesamt mehr ältere Patienten mit verschiedenen Begleiterkrankungen ein. Gleichzeitig sind wir immer auch Anlaufstelle für Patienten mit besonderen Bedürfnissen, deren Behandlung die Kapazitäten einer normalen Zahnarztpraxis übersteigen würde. Ich denke hier an Patienten mit geistigen oder körperlichen Behinderungen, aber auch Pflegebedürftige. Diese Gruppe muss auch in der klinischen Forschung und in der studentischen Lehre stärker berücksichtig werden. Das sind die Herausforderungen in den nächsten zwei Jahrzehnten.