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Christian Wiesehoff ist aktiv und sportlich – bis ihm plötzlich die Kraft ausgeht. Der heute 47-Jährige wird von seinem zehn Jahre alten Sohn beim Joggen abgehängt, die etablierte 60 Kilometer lange Mountainbike-Runde mit seinen Freunden muss er bereits nach wenigen Kilometern abbrechen. „Die Muskeln haben dicht gemacht“, erzählt der Arnsberger. „Es hat sich angefühlt, wie nach einer großen sportlichen Anstrengung, dabei waren wir doch gerade erst losgefahren.“ Das war im Jahr 2010. Anschließend wurde er auf Herz und Nieren getestet – ohne Befund. Im Sommer 2015 stellt er sich im UKM (Universitätsklinikum Münster) vor. Diagnose: Neuromyotonie, eine seltene neuromuskuläre Erkrankung.
„Bei dieser Erkrankung werden Auto-Antikörper gegen die Nervenzellen gebildet, die die Muskulatur ansteuern. Patienten bemerken ein permanentes Verspannungsgefühl in den Muskeln, häufige Muskelkrämpfe und eine Abnahme der körperlichen Belastbarkeit“, erklärt Dr. Matthias Boentert, Leitender Oberarzt der Klinik für Schlafmedizin und Neuromuskuläre Erkrankungen. Ein Teil der Betroffenen weist eine vergrößerte Thymusdrüse auf – wie Christian Wiesehoff. Dieses flache, etwa handtellergroße Organ liegt mittig in der Brust. Während es im Kindesalter für die Ausbildung des Immunsystems von großer Bedeutung ist, bildet es sich normalerweise in der Pubertät zurück und das Gewebe verfettet. Bei Wiesehoff geschah das Gegenteil: Das Organ blieb aktiv und sorgte dafür, dass sich Antikörper gegen den eigenen Körper richteten.
Bei ihm wurde der Thymus im Oktober operativ entfernt, erstmals minimalinvasiv am UKM. „Wir haben mit drei kleinen Schnitten zwischen Brust und Hals endoskopisch gearbeitet und mussten nicht wie bisher das Brustbein aufschneiden und den Knochen durchsägen“, erklärt Privat-Dozent Dr. Karsten Wiebe (Leiter der Sektion Thoraxchirurgie und Lungentransplantation), der die Operation durchgeführt hat. Mithilfe eines Beutels wurde das Organ durch eine der kleinen Öffnungen sicher geborgen, bereits eine Woche später konnte Wiesehoff dank der deutlich schonenderen OP-Technik entlassen werden. Anschließend war Geduld gefragt. Denn: „Es gibt keinen Soforteffekt, wenn man den Thymus entfernt“, stellt Wiebe klar. „Das dauert einige Wochen, da die Antikörper anfangs noch in der Blutbahn sind.“ Sollten diese dennoch nicht vollständig verschwinden, erfolgt ergänzend eine medikamentöse Therapie.
Seitdem ist einige Zeit vergangen, für Christian Wiesehoff hat sich der Eingriff nach jetzigem Stand gelohnt. „Die Physiotherapie hat gut angeschlagen und ich habe begonnen, die ersten ein bis zwei Kilometer zu joggen“, freut sich der Familienvater, der das Training nun langsam steigern will, um zu alter Stärke zurück zu gelangen. „Vielleicht kann ich dann im Sommer schon wieder mit meinem Sohn mithalten“, formuliert er seine Ziele.
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