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Die Stimme streikt, das Gehör spielt verrückt, den Fingern fehlt die Leichtigkeit beim Musizieren: Für Berufsmusiker ist ein funktionierender Körper nahezu überlebenswichtig. Doch ein Großteil von ihnen entwickelt im Laufe der Berufsjahre – oft bereits während der Ausbildung – körperliche und psychische Beschwerden. In der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie des UKM (Universitätsklinikum Münster) befasst sich jetzt eine neu eingerichtete Musikerambulanz ausschließlich mit der musikermedizinischen Betreuung. „An der Spitze der Beschwerden stehen funktionelle und organische Schädigungen, akute oder chronische Schmerzsyndrome, Auftrittsängste und Stressbelastung sowie Hörstörungen induziert durch die langjährige hohe Lärmbelastung in Orchestergräben und auf den Bühnen“, erklärt Leiter Dr. Ken Rosslau, der nicht nur Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie, sondern auch ausgebildeter Sänger ist. Gemeinsam mit weiteren Medizinern und dem neu gewonnenen britischen Audiologen Ross Parfitt sowie Logopäden, Psychotherapeuten und Audiologie-Assistenten, die ebenfalls über Gesangserfahrung verfügen, wird sich das Team um die drei Schwerpunkte Stimmdiagnostik, Gehörschutz und Lampenfieber bzw. Auftrittsangst kümmern.Bereits seit sechs Jahren verfügt das UKM über eine Sängersprechstunde, auch internationale Größen ließen sich dort behandeln. „Bisher haben wir uns jedoch nur um Beschwerden rund um die Stimme gekümmert“, sagt Prof. Dr. Antoinette am Zehnhoff-Dinnesen, Direktorin der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie des UKM und Präsidentin der Union der Europäischen Phoniater. „Der Bedarf ist jedoch deutlich größer.“ Neben den sängermedizinisch tätigen universitären Einrichtungen für Phoniatrie in Leipzig, Hamburg, Freiburg, Dresden und Düsseldorf schließt Münster nun die Versorgungslücke in Westfalen. Darüber freut sich auch Prof. Dr. Maria Schuppert, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Musikphysiologie und Musikermedizin (DGfMM): „Nicht zuletzt aufgrund der Dichte der Theaterlandschaft hier in der Region gibt es einen besonderen Bedarf für die Betreuung von professionellen Sängern und Schauspielern, aber auch für den gesamten Bereich des Laiengesangs.“
Einzigartiges Konzept
Für Prof. Dr. Norbert Roeder, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKM, waren vor allem die bereits vorhandene Expertise und die vielfältigen Strukturen des münsterschen Klinikums ausschlaggebend, der Einrichtung der Musikerambulanz zuzustimmen. „Wir verfügen über umfangreiche diagnostische und therapeutische Möglichkeiten, die wir nun in einer Form zusammenführen, die bisher einzigartig ist.“ So ist in der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie neben einem psychologischen Psychotherapeuten mit dem leitenden Oberarzt Dr. Dirk Deuster zum Beispiel ein ärztlicher Psychotherapeut vorhanden, der zusätzlich eine umfangreiche musikalische Ausbildung genossen hat und daher besonders geeignet ist, die Erstdiagnostik von Musikern mit Auftrittsangstsymptomatik durchzuführen. Darüber hinaus besteht eine Zusammenarbeit mit der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie des UKM.Einen neuen Schwerpunkt wird die Diagnostik und Beratung rund das Thema „Hören bei Musikern“ bilden. Trotz detaillierter Arbeitsschutzrichtlinien greifen nur wenige Laien- und Berufsmusiker auf Gehörschutz zurück – und das, obwohl es mittlerweile äußerst praktikable Lösungen gibt. Die umfangreiche klinische Ausstattung ermöglicht eine differenzierte Beurteilung der Hörprobleme und eine Einleitung von passenden Gehörschutzmaßnahmen.