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Bei der Diagnose Krebs sind viele Patienten bereits im Rentenalter. Auch Annemarie Huhn war über 80, als sie vor gut zwei Jahren mit Schluckbeschwerden zum HNO-Arzt ging. Das Essen fiel ihr schwer. „Das sieht nicht gut aus“, befand der Mediziner, als er die Bläschen an ihrem Zungenrand untersuchte. Daraufhin wurde eine Probe entnommen und eingeschickt. Das Ergebnis: Zungenkrebs.
„Ich wusste nicht, was das bedeutet und was auf mich zukommt“, erinnert sich die 83-Jährige an die erste Zeit nach der Diagnose. Zur weiteren Behandlung wurde sie an das Kopf-Hals-Tumorzentrum des UKM (Universitätsklinikum Münster) überwiesen. Dr. Daniel Weiß, Zentrumsleiter und leitender Oberarzt der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, klärte sie über die Erkrankung und ihre potenziellen Folgen auf. Von ihm erfuhr sie auch von der Möglichkeit, den Tumor operativ zu entfernen und diesen Teil der Zunge mit Gewebe aus dem Unterarm zu rekonstruieren.
„Aufgrund des Alters war eine Chemotherapie nicht mehr möglich“, macht Weiß auf eines der grundlegenden Probleme bei der Behandlung älterer Krebspatienten aufmerksam. Noch vor wenigen Jahren habe es dann häufig als einzige Therapieoption die Bestrahlung gegeben. Heute könne man dank neuer Techniken das betroffene Gewebe oft auch durch radikalere Eingriffe entfernen. Bei Annemarie Huhn bedeutete dies den Verlust von rund 30 bis 40 Prozent ihrer Zunge. Noch während derselben OP wurde dieser Teil aber in einem aufwendigen Verfahren mit Haut und Unterhautfettgewebe von der Unterseite des Unterarms wieder rekonstruiert. Zu sehen ist dort mittlerweile nur noch eine feine Narbe.
„Es hat sich in den letzten Jahren aber nicht nur in der Forschung und bei den Verfahren sehr viel getan. Viele Menschen sind heute auch mit über 80 Jahren noch sehr fit und gesund. Frau Huhn hatte zum Beispiel keinerlei Begleiterkrankungen und ist auch sonst sehr – wie man so sagt – rüstig“, verweist der Mediziner auf einen allgemeinen gesellschaftlichen Wandel. Daher könne man auch betagteren Patienten häufig noch eine größere Operation zumuten. „Unser Ziel ist die Heilung“, betont Weiß.
Dank des Eingriffs und der guten Zusammenarbeit innerhalb des Zentrums mit den Kollegen weiterer Fachrichtungen – wie zum Beispiel den Pädaudiologen und den Ernährungsmedizinern – kann Annemarie Huhn heute wieder ohne Probleme schlucken, sprechen, essen und sogar im Kirchenchor singen.
Info zu dem Verfahren: Während der Operation wird ein Transplantat vom Unterarm entnommen – bestehend aus Haut und Unterhautfettgewebe und verbunden mit einem der beiden Unterarm-Gefäßstränge. Die begleitenden Gefäße (eine Arterie und zwei Venen) werden dann an entsprechende Gefäße des Halses angeschlossen (Anastomose). Dadurch wird die Durchblutung des Transplantates auf Dauer sichergestellt. Das Transplantat wird verwendet, um den Defekt im Bereich der Zunge aufzufüllen. Die Hautseite des Transplantates zeigt dabei nach außen und bildet somit die neue Zungenoberfläche.
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