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Die Prüfungs- und Überwachungskommission (PÜK) der Bundesärztekammer, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen hat im Rahmen der Prüfungen der 24 Lebertransplantationszentren in Deutschland am UKM (Universitätsklinikum Münster) 25 Richtlinienverstöße festgestellt. Untersucht wurden die Jahre 2007 bis 2013. In diesem Zeitraum wurden 230 Lebertransplantationen am UKM durchgeführt. In keinem Fall wurde die medizinische Notwendigkeit für eine Transplantation von der PÜK angezweifelt.Bei neun Richtlinienverstößen handelt es sich um einzelne Fehler in Meldeformularen. Diese stehen in keinem Zusammenhang mit Versicherungsstatus, Alter oder Herkunft der Patienten. „Wir erkennen diese Verstöße an und bedauern diese Meldefehler sehr“, sagt Prof. Dr. Norbert Roeder, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKM. In 16 Fällen weist das UKM den Vorwurf des Richtlinienverstoßes zurück. Die Interpretation der bestehenden Richtlinien der Bundesärztekammer (BÄK) ist in diesen Fällen nicht eindeutig geregelt.
Mehraugenprinzip am UKM etabliert
Bereits 2011 hat das UKM formelle Arbeitsschritte im Bereich der Transplantationsmedizin verbessert, um das Risiko für Meldefehler zu minimieren. „Als Ursache für Dokumentationsprobleme haben wir damals erkannt, dass es aufgrund der vielen Schnittstellen Schwachpunkte im Ablauf der Informationsübermittlung zwischen den am Prozess beteiligten Personen gab. Dieses Problem haben wir sehr ernst genommen und umgehend aufgearbeitet“, so Roeder.
Eine weitere Maßnahme wurde schon sechs Jahre zuvor getroffen: Seit 2005 ist am UKM ein Mehraugenprinzip bei der Bewertung von Patienten für die Warteliste und die Akzeptanz von Organen eingeführt worden, welches Ende 2012 noch einmal weiterentwickelt wurde. Am UKM werden in einer wöchentlich stattfindenden Konferenz, die aus Experten der Herz- und Thoraxchirurgie, Viszeralchirurgie, Kardiologie, Pulmonologie, Gastroentorologie und Nephrologie besteht, alle Patienten, die für eine Organtransplantation in Frage kommen könnten, gemeinsam besprochen. Das Ergebnis der Besprechung wird mit allen notwendigen Details zur Entscheidungsfindung dokumentiert. Anschließend erfolgt die Übermittlung der Daten durch das Transplantationsbüro des UKM an Eurotransplant. „Trotz des Mehraugenprinzips können wir Fehler niemals zu einhundert Prozent ausschließen“, sagt Norbert Roeder.
Forderung nach eindeutigen Richtlinien
Neben den bereits eingeleiteten Veränderungen am UKM, die klinikinternen Abläufe noch weiter zu verbessern, setzen sich die verantwortlichen Mediziner für eine Fachdiskussion auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse ein, da ein Teil der Probleme auch auf unklare Formulierungen in den Richtlinien der BÄK zurück zu führen ist. Daraus resultieren unterschiedliche Interpretationen der Richtlinien. Im Einzelfall kann daher unklar und umstritten sein, was tatsächlich ein Richtlinienverstoß ist und was nicht. „Nicht nur im Sinne des Patienten müssen die Richtlinien überarbeitet und kommentiert werden, sondern auch für die Arbeit der Mediziner, die auf dieser Basis täglich Entscheidungen treffen müssen“, sagt Norbert Roeder. „Wir begrüßen es deshalb ausdrücklich, dass der Gesetzgeber die Problematik der Unklarheit und der möglichen Fehlinterpretation der Richtlinien für die Organverteilung erkannt hat und seit Juli von der Bundesärztekammer die eindeutige Begründung und Kommentierung der bisher oft wenig eindeutigen Richtlinien fordert.“
Interpretation der Richtlinienverstöße
In den 16 folgenden Fällen, bei denen es um die Meldung zur Dialyse, die Angabe bei Leberkrebs und das Einhalten der Alkoholkarenzzeit geht, teilen die Verantwortlichen des UKM die Sicht der Prüfungskommission nicht: Dialyse: Die Meldung einer so genannten MARS-Dialyse (kombinierte Leber-Nieren-Dialyse) wurde bei neun Patienten von der Kommission als Richtlinienverstoß gewertet. Dabei geht es um die Frage, ab wann eine Dialyse bei Nierenfunktionsstörungen bei Patienten im Leberversagen durchgeführt werden sollte. Nach Überzeugung der UKM-Experten gibt es ausreichend wissenschaftliche Daten und Erfahrungen, die einen frühzeitigen Einsatz des MARS-Verfahrens – insbesondere auch zur Therapie von Nierenfunktionsstörungen – rechtfertigen. Das Verfahren eliminiert Gifte bei Leber- und Nierenschädigung und verfügt über eine vergleichbare Nierendialyseeffektivität wie beispielsweise eine kontinuierliche venovenöse Dialyse, die ebenfalls als Nierenersatztherapie akzeptiert wird. Die MARS-Dialyse wurde am UKM bereits über 350 Mal eingesetzt. Durch diese Therapie konnten in Münster seit 2010 fünf Patienten mit akutem Leberversagen wieder von der Transplantationsliste genommen werden. Bereits mehrfach wurde in Fachkreisen über die Heilung von Patienten – ohne das Erfordernis einer Lebertransplantation – berichtet. Über diese sowie weitere wissenschaftlich belegte Erfolge ist die Prüfungskommission vom UKM umfassend informiert worden. Leberkrebs: In vier Fällen wurde die Meldung eines Leberzellkarzinoms von der Kommission als Richtlinienverstoß gewertet. Dabei handelt es sich um zwei Patienten, die jeweils zwei bzw. drei Tumore unter einer Größe von einem Zentimeter hatten. Die Prüfungskommission sieht diese als zu klein für eine Meldung an. Jedoch legen die Richtlinien der Bundesärztekammer fest, dass jeder Patient gemeldet werden kann, der „einen Tumor zwischen 2 und 5 cm bzw. bis zu 3 Tumoren kleiner als 3 cm Größe“ (Mailand-Kriterien) hat. Letzteres trifft für diese beiden Patienten zu. Für die Experten des UKM fallen somit beide oben genannten Fälle unter diese Kriterien.
In zwei weiteren von der Kommission bemängelten Fällen geht es um die Interpretation, inwieweit nach Leberoperation ein erneutes Auftreten eines Tumors kumulativ für die Mailand-Kriterien gewertet wird oder ab wann dieses als Neuerkrankung gewertet werden kann. Die Richtlinien der BÄK sind nicht weiter präzisiert. Am UKM wurde eine Patientin gemeldet, bei der sich nach erfolgreicher Therapie an anderer Stelle der Leber ein neuer Tumor gebildet hat. Zwischenzeitlich war das Organ tumorfrei. Hier kann aus Sicht der Mediziner des UKM von einer Neuerkrankung gesprochen werden.
Alkoholkarenzzeit: Alle drei von der PÜK genannten Fälle sind aus Sicht der UKM-Experten keine Richtlinienverstöße. Bei zwei Patienten herrschen unterschiedliche Feststellungen bezüglich der Grunddiagnose. Die Prüfungskommission legt in ihrer Bewertung eine alkohol-toxische Leberzirrhose zugrunde, die eine Meldung des Patienten erst nach Einhaltung der Alkoholkarenz von sechs Monaten zulässt. Jedoch ist in beiden Fällen eine andere Grunddiagnose (Hämochromatose bzw. kryptogene Zirrhose) nach gründlichem Ausschluss weiterer Ursachen ausschlaggebend für eine Meldung des Patienten gewesen. Diese ist unabhängig von der Karenzzeit.
In einem weiteren Fall sind unterschiedliche Zeitangaben bezüglich der Alkoholkarenz des Patienten dokumentiert, die in der Bewertung miteinander konkurrieren. Aus Sicht der Mediziner des UKM ist zur Aufnahme auf die Warteliste die vorgeschriebene Karenzzeit eingehalten worden. Veröffentlichung der Stellungnahme des UKM
Im Sinne der mit der Veröffentlichung der Prüfberichte aller 24 deutschen Lebertransplantationszentren hergestellten Transparenz möchte das UKM die zur Bewertung und im Sinne einer offenen Diskussion noch fehlenden Informationen ebenfalls transparent machen. Nachfolgend werden die wesentlichen Inhalte der Stellungnahme des UKM zum Bericht der Prüfungs- und Überwachungskommission (PÜK) dargestellt. Die nachfolgende Stellungnahme entspricht weitgehend der Originalstellungnahme, die das UKM der PÜK übersandt hat. Sie ist jedoch zum besseren Verständnis an einigen Stellen ergänzt sowie um Inhalte erweitert, die in weiteren Schreiben an die PÜK kommuniziert wurden. Patientenbezogene Daten wie z.B. das Datum wurden durch XXX ersetzt, da uns der Patientenschutz sehr wichtig ist. Die Stellungnahme des UKM finden Sie hier.