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Sie heißen EHEC, MRSA oder ESBL und immer häufiger beherrschen sie die Schlagzeilen: gefährliche Bakterien, denen mit Antibiotika kaum noch beizukommen ist – auch in deutschen Krankenhäusern breiten sich multiresistente Krankheitserreger immer weiter aus und fordern tausende Todesopfer. Bislang hat die Hochleistungsmedizin der Bedrohung wenig entgegenzusetzen. Dass gezielte Gegenwehr sich lohnt, beweist das münstersche Modell für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention. Es zeigt, wie sich die Gefahr eindämmen lässt, wenn exzellente Grundlagenforscher eng mit Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten in einer Region zusammenarbeiten. Die Initiative geht aus von einem jungen Team um Professor Helge Karch von der Universität Münster.
Für seine Pionierleistung erhielt Karch heute von der Berliner Robert-Koch-Stiftung den „Preis für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“. Der Direktor des Instituts für Hygiene am Universitätsklinikum Münster ist der erste Preisträger der neu geschaffenen und mit 50.000 Euro dotierten Auszeichnung. „Durch die Verbindung von exzellenter Wissenschaft mit konsequenten Maßnahmen in der klinischen Praxis leisten der Preisträger und sein Team einen vorbildlichen Beitrag zur Verbesserung der Krankenhaushygiene in unserem Land“, sagt Hubertus Erlen, der Vorstandsvorsitzende der Robert-Koch-Stiftung.Das münstersche Modell vernetzt regionale Krankenhäuser, Alten- und Pflegeheime, niedergelassene Ärzte und Patientenvertreter eng mit dem Universitätsklinikum Münster, um die Ausbreitung gefährlicher Keime zu verhindern. Ein Beispiel: Bei der Einlieferung ins Krankenhaus wird jeder Patient auf MRSA getestet und im positiven Fall so lange isoliert behandelt, bis die Aufnahme auf eine normale Station gefahrlos möglich ist. Am Institut für Hygiene stehen in einem interdisziplinären Team rund hundert Mitarbeiter bereit, um neuartige Keime mit modernen molekularbiologischen Methoden zu untersuchen. Einige dieser weltweit verbreiteten Verfahren, mit denen sich das Gefahrenpotential der Keime bestimmen lässt, wurden von dem Team um Helge Karch entwickelt.
Der Aufwand lohnt sich, wie die Meldedaten in Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2011 zeigen: Bezogen auf das gesamte Bundesland kam es dort zu 57,6 Blutstrominfektionen je Million Einwohner durch multiresistente Bakterien vom besonders gefährlichen Typ Staphylococcus aureus (MRSA). Mit 43,2 Blutstrominfektionen je Million Einwohner gab es im Münsterland deutlich weniger dieser schweren Erkrankungen.
Als Nächstes will Helge Karch erforschen, wie bakterielle Erreger von Krankenhausinfektionen es schaffen, sich so verblüffend schnell zu verändern und sich dabei an immer neue Umweltbedingungen anzupassen. „Daneben interessiert uns die Herkunft und Verbreitung dieser Erreger, die auch außerhalb des Menschen, beispielsweise in Tieren, vorkommen“, sagt der Mikrobiologe, „darüber wissen wir noch sehr wenig.“
Das münstersche Modell sei auf ganz Deutschland übertragbar, sagt Karch. Wichtig seien der Wille zur regionalen Vernetzung und interdisziplinären Zusammenarbeit sowie eine gezielte Forschungsförderung. „Leider gibt es nicht mehr viele Hygiene-Institute in Deutschland. Aber ich kenne weltweit kein besseres Gesundheitssystem als das hiesige, also warum sollten wir es nicht schaffen, die Krankenhaushygiene zu verbessern?“