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Tobias Reiske ist gefragt, bei Kliniken und Eltern gleichermaßen. Der Kinderkrankenpfleger setzt sich erfolgreich für eine intensive Eltern-Aufklärung bei Kindern mit schweren Herzerkrankungen ein. Mit viel Gefühl – aber vor allem mit harten Fakten. Mit Bildern von Kindern, die an zahlreichen Schläuchen hängen, die von Monitoren umgeben sind, die mit einem offenen Thorax im Krankenbett liegen. „Die Eltern müssen vor der Operation wissen, was auf sie zukommt“, sagt der 46-Jährige, der seit 1993 auf der kinderkardiologischen Station des UKM (Universitätsklinikum Münster) arbeitet. Nur so könne verhindert werden, dass sie wie gelähmt vor dem Zimmer stehen bleiben oder gar in Ohnmacht fallen, wenn sie ihre Kinder nach der Herz-OP sehen. „Wir müssen die Eltern so vorbereiten, dass sie voll und ganz für ihre Kinder da sein können und nicht erst damit beschäftigt sind, die Situation zu verarbeiten.“
Die Eltern sind für dieses Engagement vor allem eins: dankbar. Familie Boll genießt das „sichere Gefühl“, dass die vielen Fragen, die besorgten Eltern durch den Kopf gehen, umfassend beantwortet werden können. Dazu gehört auch die Möglichkeit, vor der OP die Kinderintensivstation zu besuchen und dort die vielen unbekannten Geräusche der Apparate kennenzulernen. „Wir hatten ein großes Informationsbedürfnis und haben die Gespräche mit Tobias vorgezogen, statt ungefiltert im Internet zu recherchieren“, sagt der Vater vom sechs Monate alten Jonathan. Dieses Angebot gilt auch, wenn die Familie nicht im Klinikum ist. Dann ist Reiske telefonisch erreichbar. „Ein tolles privates Engagement“, sind sich Jonathans Eltern einig.
Die Idee für das Projekt kam dem Kinderkrankenpfleger Mitte der 90er Jahre, nachdem er mehrfach völlig konsternierte Eltern auf der Kinderintensivstation gesehen hat. Es folgte eine wissenschaftliche Befragung mit dem Fazit, dass die meisten Eltern mit der Aufklärung durch die Ärzte und dem Eingriff an sich sehr zufrieden sind. „Aber die wenigsten wussten, was am Krankenbett auf sie zukommt“, so Reiske, der 1998 mit einer Kollegin die Arbeitsgemeinschaft Card AG gründete. In den Folgejahren wurde das Projekt weiterentwickelt: Neben den El-tern werden am UKM heute auch die Kinder aufgeklärt. Bei älteren Kindern wird eine DVD hinzugezogen, bei Kleinkindern das Buch „Annas Herzoperation“, das Reiske zusammen mit dem Bundesverband Herzkranke Kinder e.V. entwickelt hat.
Mittlerweile umfasst das Team der Card AG sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Wissenschaftliche Untersuchungen in Zusammenarbeit mit der Medizinischen Hochschule Hannover bescheinigen eine Zufriedenheitsquote von über 95 Prozent für das präoperative Management am UKM. Und das weckt Begehrlichkeiten. Tobias Reiske lagen mehrfach Angebote von großen Kinderherzzentren vor. Er lehnte ab. „Ich fühle mich am UKM wohl und schätze es sehr, dass ich ernstgenommen werde und man Dinge, die gut konzeptioniert sind, umsetzen kann.“ Die Anerkennung für seinen Einsatz erhält der 46-Jährige möglicherweise bald noch auf anderer Ebene: Tobias Reiske ist offiziell für das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen.
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