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Volksleiden Juckreiz: Dramatische Unterversorgung der Patienten

Prof. Hermann Handwerker, Prof. Thomas Luger, Prof. Sonja Ständer, Prof. Matthias Augustin und Nils Könemann (Betroffener) vor der Auftaktveranstaltung des 2. Münsteraner Pruritussymposiums.
Prof. Hermann Handwerker, Prof. Thomas Luger, Prof. Sonja Ständer, Prof. Matthias Augustin und Nils Könemann (Betroffener) vor der Auftaktveranstaltung des 2. Münsteraner Pruritussymposiums.
Experten diskutieren beim 2. Münsteraner Pruritussymposium Leitlinien für verbesserte Patientenversorgung / Kompetenzzentrum Pruritus am UKM war bundesweit erste Einrichtung für Patienten mit chronischem Juckreiz
ukm/jb
Die Patienten, die zu Prof. Dr. Sonja Ständer in die Juckreiz -Sprechstunde der Klinik und Poliklinik für Hautkrankheiten am Universitätsklinikum Münster (UKM) kommen, haben oft bereits eine wahre Odyssee an Arztbesuchen und Therapien hinter sich. Linderung haben die meisten von ihnen wenn überhaupt nur kurzfristig erfahren. Entsprechend verzweifelt sind viele Betroffene. „Die Patienten haben häufig einen hohen Leidensdruck. Der Juckreiz beeinträchtigt das tägliche Leben dieser Menschen enorm. Doch das muss nicht sein. Denn Juckreiz kann erfolgreich behandelt werden“, sagt die UKM-Expertin Prof. Dr. Sonja Ständer.

Deutschland war weltweit das erste Land, das Juckreizambulanzen aufgebaut, eine Klassifikation der Erkrankungen, die zu Juckreiz führen, erarbeitet und so die Diagnostik erleichtert hat. Neben dem Pruritus Kompetenzzentrum am UKM gibt es bisher spezielle Juckreizambulanzen in Berlin, Heidelberg und München. „Wir sind bereits auf einem sehr guten Weg. Doch trotz unserer internationalen Vorreiterposition sind auch in Deutschland noch immer viele Patienten dramatisch unterversorgt“, warnt Prof. Dr. Dr. Thomas Luger, Direktor der Hautklinik am UKM.

Hochrangige Experten beim 2. Münsteraner Pruritussymposium

Aus diesem Grund veranstaltet das Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus (KCP) des UKM in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Pruritusforschung (AKP) der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) e. V.  und der Akademie für ärztliche Fortbildung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) am 17. und 18. September das 2. Münsteraner Pruritussymposium. Bei diesem Fortbildungssymposium kommen hochrangige Juckreiz-Experten aus ganz Deutschland zusammen, um aktuelle Themen der Pruritusforschung und eine verbesserte Versorgung der Patienten zu diskutieren. Gleichzeitig ist das Symposium eine Plattform, um Nachwuchskräfte für das Thema Juckreiz zu sensibilisieren und auszubilden. Denn der Bedarf an Experten ist groß: „Juckreiz ist ein häufiges und unterschätztes Krankheitssymptom. Rund 17 Prozent aller Berufstätigen sind davon betroffen, bei mehr als vier Prozent ist der Juckreiz heftig oder chronisch“, weiß Prof. Dr. Matthias Augustin, Direktor des Instituts für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE).  Hinzu kommt, dass es bislang nicht möglich war, Juckreiz subjektiv zu messen. Auch das ist Thema des Pruritussymposiums in Münster. Die Experten wollen gemeinsam Skalen entwickeln, um die Dokumentation und Messung des quälenden Juckens einheitlich sicherzustellen.


Rasante Fortschritte in der Forschung verbessern Therapiemöglichkeiten

Bis zu Beginn der 1990er Jahren gingen Mediziner davon aus, dass Juckreiz eine Unterkategorie von Schmerz ist. Prof. Dr. Dr. Hermann Handwerker, Neurophysiologe an der Universität Erlangen-Nürnberg, widerlegte diese Definition und läutete damit ein neues Kapitel in der Pruritusforschung ein: „Bei unseren Untersuchungen sind wir auf spezielle Juckreizfasern in der Haut der Betroffenen gestoßen. Seitdem haben wir große Fortschritte in der Erforschung und Behandlung von Juckreiz gemacht“, erklärt Prof. Handwerker. Aktuell erforschen die Mediziner die Wirkung des Juckens im Gehirn und sind auf der Suche nach möglicherweise genetischen Ursachen.

In Münster arbeiten dabei Mediziner aus sechs verschiedenen Fachrichtungen (Anästhesie, Dermatologie, Innere Medizin, Neurologie, Psychosomatik und Radiologie) am Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus zusammen. Das Kompetenzzentrum war die bundesweit erste Einrichtung dieser Art. Prof. Sonja Ständer und ihre Kollegen wünschen sich, dass es in Zukunft noch mehr Juckreiz-Zentren geben wird: „Derzeit haben wir Wartezeiten von bis zu sechs Monaten. Eine Zeit, in der die Patienten unnötig leiden müssen. Mit dem Symposium hoffen wir, die Spezialisierung von Medizinern in diesem Bereich voranzutreiben und langfristig eine bessere Versorgung der Betroffenen zu erreichen.“    

Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus am UKM

Leitung: Prof. Dr. Sonja Ständer
Anmeldung: +49 (0)251-83 57 470
Montag bis Freitag 8 bis 16 Uhr
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