„Im November“, so Prof. Dr. Christoph Student, „im November ist es ja ungestraft erlaubt, über den Tod zu reden“. Dabei war sein Referat, das er auf Einladung der münsterschen Schober-Stiftung jetzt im Franz Hitze-Haus hielt, eigentlich ein Vortrag über das Leben, denn „Sterben in Würde“ heißt ja nichts anderes als Leben bis zuletzt.
165 Gäste folgten der „November-Vorlesung“. Sie führt Menschen zusammen, die sich mit dem Hospiz-Gedanken beschäftigen und deshalb der von Dr. Anna und Prof. Dr. Dr. Otmar Schober initiierten „Stiftung für christliche Hospizarbeit“ nahe stehen. Mit dem Referenten, einem der Mitbegründer der Hospizidee in Deutschland, war ihnen ein Glückgriff gelungen. Sanft, nicht moralisierend, aber mit einer Sprache voller verständlicher Bilder führte er mitten hinein ins Dilemma der aktuellen Fragen rund um die Sterbehilfe.
Eine – durchaus unangenehm gedehnte und stille – Minute lang ließ der Leiter des Deutschen Instituts für „Palliative Care“ in Freiburg die Teilnehmer über die Wünsche an den eigenen Tod nachdenken. Schnell soll er sein, möglichst schmerzlos – „genau hier setzt der Wunsch der Menschen ein, angesichts der Machtlosigkeit gegenüber dem Sterben doch noch eigene Macht ausüben zu wollen: Ich bestimme, wann der Tod kommen soll“, so zeigte der Referent Verständnis für diese Gedanken.
Die Angst vor dem Tod – eher wohl die Angst vor dem Sterben – habe Gründe habe: Angst vor Vernachlässigung, Einsamkeit oder davor, jemandem zur Last zu fallen. Dies zeige deutlich, es gehe um „Beziehungen“. Sogar beim Selbstmord mit Unterstützung gehe es um eine Beziehung – der Helfende setze die Sperre herab, die eigentlich im Menschen gegen eine Selbsttötung wirkt. Diese Hemmung gebe es übrigens auch dagegen, einen anderen Menschen zu töten. „Hilf- und Hoffnungslosigkeit auf beiden Seiten“ lösten das schlimme Gefühl des „Mit-Leidens“ aus: Aber niemand kann das Leid eines anderen mit-leiden“, so sagte Prof. Student energisch.
Anhand des Beispiels der Familie Walter und Inge Jens – der große Denker leidet seit einigen Jahren an Demenz – entwickelte der Psychiater drei Schritte, die er den Zuhörern ans Herz legte, um Sterbende und ihre Angehörige ins Leben zu integrieren. Unterstützt von Hospizen und ambulanten Palliativ-Netzen könne man so „Türen öffnen, ohne den Notausgang Euthanasie ins Auge fassen zu müssen“. Man müsse „Nähe wagen“, so sagte Student, um dem Sterbenden, vor allem aber auch sich selbst näher zu kommen. „Öffentlichkeit herzustellen“ sei eine weitere Aufgabe, denn: „Isolation lässt leiden, ist hoch riskant und erhöht die Verzweiflung“, mahnte der Freiburger, der zum Abschluss dringend dazu riet, „Hilfe anzunehmen“. Es sei keine Schwäche, sondern im Gegenteil Stärke, Entlastungsangebote zu nutzen.
Das Stifter-Ehepaar und die beeindruckten und offenbar bereicherten Teilnehmer dankten dem Referenten mit anhaltendem Applaus für den so „alltagstauglichen“ Vortrag über die Würde des Sterbens. Harmonisch umrahmt wurde der Abend von der virtuosen Altblockflöten-Spielerin Judith Heindel.
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