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Münster (mfm/tb) – Ein Diplom in Biologie hatte er bereits, nun legte er noch eine medizinische Doktorarbeit nach. Für die bekam Christoph le Viseur bei der Promotionsfeier der Medizinischen Fakultät der Universität Münster jetzt gleich zwei Urkunden überreicht: Außer dem Doktortitel verlieh die Fakultät dem 35-jährigen auch noch ihren Promotionspreis. Die von le Viseur und weiteren Wissenschaftlern durchgeführten Experimente schaffen die Voraussetzung für die Entwicklung neuer Therapien bei der Akuten Lymphatischen Leukämie (ALL), der häufigsten Krebsart im Kindesalter. Der aus dem hessischen Bad Zwesten stammende Preisträger gehörte einer Forschergruppe unter Leitung von Prof. Josef Vormoor an. Das von der Deutschen José Carreras Leukämie-Stiftung finanziell unterstützte Wissenschaftler-Team hat untersucht, welche spezialisierten Krebszellen, so genannte Krebsstammzellen, die Leukämie unterhalten. Ziel jeder Behandlung muss es sein, diese Zellen zu zerstören, da nur von ihnen ein nach erfolgter Therapie ein Rückfall ausgehen kann.
Die normale Blutbildung basiert auf einer kleinen Zahl hoch spezialisierter Stammzellen. Nur sie sind in der Lage, die verschiedenen Blutzellen, rote und weiße Blutkörperchen sowie Blutplättchen, in ausreichender Menge zu produzieren. Auf je 10.000 Zellen im Knochenmark kommt dabei nur eine, die diese Eigenschaft besitzt. In den letzten Jahren haben sich in der medizinischen Forschung die Anzeichen gemehrt, dass auch Leukämien von einer entsprechenden Population so genannter leukämischer Stammzellen unterhalten werden. Deren Identifizierung und Charakterisierung böten somit die Chance, die Leukämie schon „an der Wurzel“ zu packen.
Bisher ging die Forschung davon aus, dass nur die unreifsten Zellen Stammzelleigenschaften besitzen und die Zellen mit zunehmender Ausreifung ihre Fähigkeit verlieren, Leukämiezellen zu bilden. Zentrale Frage der Vormoor-Laborgruppe war es, diese Hypothese zu überprüfen und die Krebsstammzellen bei der ALL im Kindesalter zu identifizieren. Die Experimente, an denen le Viseur beteiligt war, widerlegten die bisherige Annahme: Sie zeigten, dass nicht nur ganz seltene, unreife und den normalen Stammzellen ähnelnde Zellen eine Leukämie entstehen lassen können, sondern Zellen aller Reifungsstufen. Diese Erkenntnis, veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift „Cancer Cell“, eröffnet der Grundlagenforschung einen neuen Blickwinkel und hat unmittelbare Bedeutung für die Entwicklung neuer Therapien im Kampf gegen die Krebsstammzellen.
Der an Dr. le Viseur verliehene Promotionspreis der Medizinischen Fakultät dient der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, ist mit 2.500 Euro dotiert und wird von der Wyeth Pharma GmbH in Münster gestiftet. Zusammen mit Dekan Prof. Wilhelm Schmitz gratulierte daher auch Dr. Timm Volmer dem neuen Preisträger: "Als forschendes Arzneimittelunternehmen ist es unser Anliegen, das Engagement ambitionierter Wissenschaftler und ihre sehr guten Leistungen anzuerkennen", so der Vorsitzende der Geschäftsführung von Wyeth Pharma. Bei der Preisübergabe adressierte Volmer auch lobende Worte an die Medizinische Fakultät: „Mit dieser Einrichtung haben wir einen kompetenten Partner gefunden. Die medizinische Ausbildung an der Universität Münster ist hervorragend. Daher ist es für uns eine besondere Freude, bereits zum dreizehnten Mal den Promotionspreis an einen jungen Mediziner in unserer Region vergeben zu können. Was alle Nachwuchsforscher eint, ist, dass sie durch ihre innovative Forschung zum Verständnis von biomedizinischen Prozessen und von Krankheiten beitragen und so den Fortschritt in der Medizin weiter voran bringen", sagte Volmer bei Promotionsfeier.
Zum Bedauern beider Laudatoren wird le Viseur der Krebsforschung zwar erhalten bleiben, seine universitäre Arbeit aber nicht fortsetzen: Er arbeitet inzwischen als Patentreferent bei einem Berliner Unternehmen für Molekulardiagnostik. Zusammen mit ihm nahmen 73 der insgesamt 151 Doktoranden aus dem letzten Semester an der Promotionsfeier teil, um ihre Urkunden persönlich in Empfang zu nehmen. Zudem konnte Dekan Schmitz zwei Goldene Urkunden an Mediziner überreichen, die bereits vor einem halben Jahrhundert ihren Doktortitel erworben haben.