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Gemeinsam gegen (Fach-) Ärztemangel: Weiterbildungsverbünde schaffen neue Perspektiven

Foto: Die Partner des 2003 gestarteten Verbundprojektes freuen sich über die Auszeichnung der Europäischen Gesellschaft für Anästhesiologie.
ukm/dre
Fünf bis sechs Jahre dauert je nach Fachgebiet die Weiterbildung zum Facharzt. Allerdings kann das komplette Spektrum der Facharztweiterbildung nicht mehr an allen Krankenhäusern durchgeführt werden: Die Einführung der Fallpauschalen zur Neustrukturierung der Krankenhausfinanzierung hat bewirkt, dass sich Krankenhäuser zunehmend spezialisieren. Einen zukunftsweisenden Charakter haben daher „Weiterbildungsverbünde“. Hierbei schließen sich die Weiterbildungsstätten verschiedener Krankenhäuser zusammen, um jungen Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit zu geben, während ihrer Weiterbildungszeit durch Krankenhäuser verschiedener Versorgungsstufen zu „rotieren“.

Als Pilotprojekt startete 2003 in Münster ein solcher Weiterbildungsverbund in der Fachrichtung Anästhesie in Kooperation des Universitätsklinikums Münster (UKM), des Evangelischen Krankenhauses Münster, dem St. Josef-Stift Sendenhorst und der Fachklinik Hornheide mit Unterstützung und Begleitung der Ärztekammer Westfalen-Lippe (ÄKWL) In Mailand wurde dieser Verbund nun Anfang Juni von der Europäischen Fachgesellschaft für Anästhesiologie ausgezeichnet.

„Der Weiterbildungsverbund in der Anästhesie hat sich außerordentlich bewährt. Das zeigen unsere Erfahrungen der vergangenen vier Jahre und nun auch aktuell die Auszeichnung auf europäischer Ebene. Diesem Modell gehört die Zukunft. Es garantiert eine umfassende Weiterbildung für die jungen Mediziner und ist auch eine Möglichkeit, dem wachsenden Mangel an Fachärzten gerade in ländlichen Regionen entgegenzuwirken“, betont Prof. Dr. Hugo Van Aken, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin am UKM.

Dr. Heinz-Peter Kalvari, Ärztlicher Direktor des Evangelischen Krankenhauses Münster (EVK), und Prof. Dr. Ulrich Hartenauer, Chefarzt der Anästhesiologie Intensivmedizin und Schmerztherapie im EVK, schildern die Ausgangslage: „Durch die zunehmende Spezialisierung wird zukünftig noch stärker der Weiterbildungsassistent immer seltener Gelegenheit haben, an einer Weiterbildungsstätte Erfahrungen mit dem gesamten Fachgebiet– vom einfachen bis hochkomplexen Fall – zu sammeln. Der Arzt in Weiterbildung wird also in Zukunft seine Facharztweiterbildung an zwei oder noch mehr Weiterbildungsstätten absolvieren müssen.“

Angesichts dieser Herausforderung sind Weiterbildungsverbünde ein Modell, von dem die angehenden Fachärzte und die Kliniken gleichermaßen profitieren: „Die Mediziner wissen mit ihrer Einstellung genau, dass sie im Rahmen der Weiterbildung an andere Krankenhäuser des Weiterbildungsverbundes für jeweils vier Monate arbeiten können. Die Finanzierung dieser Stellen erfolgt durch die Verbundkrankenhäuser, denen auf diesem Weg werden uns kontinuierlich zwei Weiterbildungsassistenten zur Verfügung gestellt wird“, erklärt Werner Strotmeier, Geschäftsführer des St. Josef-Stifts Sendenhorst. Das bringe ein Stück wichtiger Planungssicherheit, betont auch Manfred Littek, Geschäftsführer der Fachklinik Hornheide: „So können diese Stellen sicher besetzt werden und das Krankenhaus hat zudem direkten Kontakt mit einem potentiellen zukünftigen Facharzt.“

Neben der Anästhesie hat das Universitätsklinikum Münster (UKM) auch einen Weiterbildungsverbund für den Bereich Chirurgie gegründet. „Ein direkter Vorteil ist es natürlich, dass wir den jungen Medizinern ein komplettes und abwechslungsreiches Programm in der Weiterbildung bieten können“, betont Prof. Dr. Norbert Roeder, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des UKM. Noch wichtiger seien allerdings die Möglichkeiten, die sich daraus als Mittel gegen den spürbaren Mangel an Ärztinnen und Ärzten gerade im ländlichen Raum ergeben. Roeder: „Mit den Weiterbildungsverbünden schaffen wir eine zukunftsweisende Struktur in der Gesundheitsregion Münsterland und können gleichzeitig die Krankenhäuser in den ländlichen Bereichen durch Weiterbildungsassistenten unterstützen. Unser Ziel ist es, die Region Münsterland für die ärztliche Weiterbildung so attraktiv zu machen, dass wir keinen Mangel an Weiterbildungsassistenten fürchten müssen.“ Hierzu genüge allerdings nicht die Einrichtung von Weiterbildungsverbünden. Zusätzlich müsse die Weiterbildung in den Krankenhäusern attraktiver gemacht, besser strukturiert und kontrolliert werden.

Dass aus dem Pilotprojekt „Weiterbildungsverbund Anästhesie“ inzwischen ein Erfolgsmodell geworden ist, wurde am 6. Juni nochmals eindeutig belegt: An diesem Tag wurde in Mailand im Rahmen der Eröffnung des Jahreskongresses der „European Society of Anaesthesiology“ der Weiterbildungsverbund der anästhesiologischen Kliniken in Münster mit dem „Certificate of Accreditation of a European Centre for Training of Anaesthesiologists“ ausgezeichnet. Dieses Zertifikat wird nach einer strengen Prüfung der Weiterbildungsstätte und dem Weiterbildungsprogramm von der „European Society of Anaesthesiology“ und dem „European Board of Anaesthesiology“ vergeben.


Hintergrund: Weiterbildung zum Facharzt

Mit der Approbation als Arzt kann der Betreffende die Heilkunde erwerbsmäßig ausüben. Die Approbation als Arzt wird durch die Bezirksregierung erteilt. Voraussetzungen sind ein erfolgreicher Abschluss des Humanmedizinstudiums und eine persönliche Eignung zur Ausübung dieses Berufs.

Allerdings schließt sich in aller Regel an das Studium eine Facharztweiterbildung, d.h. eine Spezialisierung in einem bestimmten Gebiet der Medizin an (z.B. Anästhesiologie, Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Chirurgie, Kinderheilkunde, etc). Der erfolgreiche Abschluss einer Facharztweiterbildung ist unter anderem Voraussetzung für eine selbständige ärztliche Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung.

Eine Facharztweiterbildung dauert je nach Fachgebiet fünf bis sechs Jahre und findet fast ausschließlich, mit Ausnahme der Facharztweiterbildung Allgemeinmedizin, an Krankenhäusern statt. Während dieser Zeit sind die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung („Weiterbildungsassistenten“) unter der Aufsicht und Verantwortung von Fachärzten tätig.

Während der Facharztweiterbildung erwirbt der Assistenzarzt Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in seinem jeweiligen Fachgebiet. Ein Minimalstandard der Weiterbildungsinhalte ist in der Weiterbildungsordnung festgeschrieben, die von der zuständigen Landesärztekammer erlassen wird.

Die Landesärztekammern legen sowohl fest, welche Ärzte weiterbilden dürfen („Weiterbildungsbefugte“), als auch wo weitergebildet werden darf („Weiterbildungsstätten“). Abhängig vom Spektrum der medizinischen Versorgung können auch nur Teilbefugnisse erteilt werden. Ist dies der Fall, können Weiterbildungsassistenten an der betreffenden Weiterbildungsstätte nur anteilig ihre Weiterbildung absolvieren.
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