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Ihre Augen blicken noch ein wenig müde in die Welt, doch das ist nur allzu verständlich: Greta kam in der 25. Schwangerschaftswoche zur Welt und wog bei ihrer Geburt gerade mal 800 Gramm. Seitdem wird sie von den Experten der Neonatologie und Pädiatrischen Intensivmedizin im Universitätsklinikum Münster betreut und entwickelt sich zur großen Freude ihrer Eltern, Ärzte und Pflegerinnen prächtig. Greta ist eines von ca. 60.000 Kindern, die in Deutschland jedes Jahr zu früh das Licht der Welt erblicken. Damit sind Frühgeborene die größte Kinderpatientengruppe bundesweit. Dennoch sind die Probleme und Risiken dieser Kinder in der Gesellschaft noch weitgehend unbekannt. Am ersten Internationalen Tag des Frühgeborenen am 17. November macht das UKM daher gemeinsam mit dem Verein zur Förderung Risiko- und frühgeborener Kinder „Das frühgeborene Kind Münster e. V.“ auf die Chancen und Probleme Frühgeborener aufmerksam: In den Münster Arkaden informieren Mitglieder des Fördervereins und Experten des UKM Interessierte und Passanten von neun bis 18 Uhr über ihre Arbeit und die Belange der Kinder. Unterstützt werden sie dabei von den Kaufleuten der Arkaden, die für das Glücksrad-Gewinnspiel am Infostand attraktive Sachpreise gespendet haben. Am Nachmittag steht außerdem noch eine Kinderschminkaktion auf dem Programm. „Viele der heute frühgeborenen Kinder hätten noch vor einigen Jahrzehnten keine Chance gehabt. Heute haben sie Dank moderner Medizin und speziell ausgebildeten Ärzten und Pflegepersonal in der Neonatologie und Geburtshilfe eine Zukunft“, erklärt Dr. Isabell Hörnig-Franz. Die Oberärztin der UKM-Neonatologie und Pädiatrischen Intensivmedizin hat schon viele so genannter Risikobabies betreut und weiß, mit welchen Komplikationen und Schädigungen bei Frühgeborenen zu rechnen ist: „Es können Hirnblutungen, Lungen- oder Darmprobleme auftreten, manche Kinder haben Seh- oder Hörstörungen. Wichtig ist, dass die Behandlung und Betreuung der Kinder in einer Klinik mit speziell geschultem Personal und einer entsprechenden Ausstattung stattfindet.“ Ein prominentes „Frühchen“ ist der blinde Sänger Stevie Wonder – dass er blind ist, ist auf seine verfrühte Geburt zurückzuführen.
Frühgeborene sind die Neugeborenen, die vor der 37. Schwangerschaftswoche das Licht der Welt erblicken. Zu den Risikokindern zählen insbesondere Babies, die bei ihrer Geburt ein Gewicht von unter 1500 Gramm haben und/oder vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren werden. „Etwa ab 24 Schwangerschaftswochen haben die Kinder eine Überlebenschance“, weiß Dr. Isabell Hörnig-Franz. Doch trotz sehr guter Behandlungsmöglichkeiten nach der Geburt, haben viele Frühgeborene auch im späteren Leben noch Probleme: Viele Kinder haben Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten und brauchen eine spezielle Förderung. Greta, die zur Zeit auf der UKM-Kinderintensivstation liegt, hat noch einen älteren Bruder: Paul ist sechs Jahre alt und wurde im Sommer eingeschult. Auch er war ein Frühchen. „Seine bisherige Entwicklung verlief jedoch optimal und auch in der Schule hat er keine Probleme“, ist seine Mutter Maja Pietsch erleichtert. „Ich bin froh, dass meine Kinder nach ihrer Geburt von Spezialisten behandelt wurden, die langjährige Erfahrungen in der Betreuung Frühgeborener haben.“
In der UKM-Kinderklinik haben die Ärzte viele Möglichkeiten, die Kleinen wirkungsvoll zu behandeln, Frühgeburten verhindern können jedoch auch sie nicht. „Alkohol und Zigaretten in der Schwangerschaft gehören natürlich ebenso wie genetische Risiken, Vorerkrankungen oder ein höheres Alter der Mutter zu den Risikofaktoren. Doch jeder kann ganz plötzlich von einer Frühgeburt betroffen sein“, sagt Dr. Isabell Hörnig-Franz. Ein wichtiges Anliegen der UKM-Mediziner und des Fördervereins „Das frühgeborene Kind“ ist daher, andere Eltern, aber auch Nicht-Betroffene über die Schwierigkeiten und Chancen von Frühgeborenen und ihre Familien aufzuklären. Die Mitglieder des Fördervereins sind selbst betroffene Eltern, aber auch Ärzte, Krankenschwestern und Therapeuten. „Wir bieten anderen Familien eine Plattform zum Austausch von Erfahrungen, organisieren Expertenvorträge, informieren über staatliche Hilfen und setzen uns für eine Verbesserung der ambulanten Nachsorge ein“, erläutert Uta Steyvers, zweite Vorsitzende des Vereins, die Ziele ihrer Organisation. Jeden zweiten Samstag im Monat treffen sich interessierte Familien zum „Frühchentreff“ im Haus der Familie der Evangelischen Familienbildungsstätte in Münster. Regelmäßig veranstaltet der Verein darüber hinaus auch ein Frühstück im Universitätsklinikum Münster. „Mütter und Väter, deren Babies am UKM neonatologisch versorgt werden, möchten wir so in dieser schwierigen Zeit begleiten“, erklärt Uta Steyvers.
Auf der ganzen Welt finden am 17. November Aktionen zu Gunsten frühgeborener Kinder statt. Initiiert wurde der Aktionstag von der Europäischen Stiftung für Frühgeborene und kranke Neugeborene und soll in Zukunft in jedem Jahr stattfinden.
Weitere Informationen zum Verein „Das frühgeborene Kind Münster e. V.“ sowie aktuelle Termine und Veranstaltungen gibt es unter www.fruehchen-muenster.de