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Pressemeldungen Archiv 2021

Überaktive Harnblase: Mit Fußnerv-Stimulation auf die Harndrang-Bremse treten

Foto (UKM/Wibberg): Urologe und Studienleiter Dr. Fabian Queißert (r.) gibt Sonja Gerberding (l.) und Sabine Jablonski durch die neue Methode mehr Lebensqualität.
Eine überaktive Harnblase ist für die Betroffenen ein großes Problem: Wohin sie sich auch bewegen - sie müssen immer wissen, wo die nächste Toilette ist. Rund 12 Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Aus der chinesischen Medizin TCM stammt das Wissen, dass ein bestimmter Fußnerv eng in Zusammenhang mit der Blase steht. Das macht sich eine Placebokontrollierte Studie zu Nutze, bei der untersucht wird, inwieweit sich eine Stimulation dieses Nervs über Hautelektroden beruhigend auf die Blase auswirkt.
ukm/aw

Manchmal kreuzen sich Lebenswege, die sich an einem bestimmten Punkt trennten, unerwartet doch wieder. Sabine Jablonski und Sonja Gerberding, beide Jahrgang 1976, führte eine Studie des Kontinenz- und Beckenbodenzentrums der Klinik für Urologie und Kinderurologie am UKM (Universitätsklinikum Münster) wieder zusammen. Die beiden Grundschulfreundinnen aus dem Grenzgebiet zu Niedersachsen hatten sich längst aus den Augen verloren, als beide sich - unabhängig voneinander - als Probandinnen für die Studie meldeten. Beide leiden unter einer überaktiven Blase verbunden mit der Unannehmlichkeit eines ständigen Harndrangs. Dr. Fabian Queißert, Leiter des Bereichs Neurourologie und des Kontinenz- und Beckenbodenzentrums stellt klar: „Wir schließen vorher aus, dass eine ande-re körperliche Ursache als eine überaktive Blase zum ständigen Harndrang führt. Wer mehr als achtmal pro Tag die Toilette aufsuchen muss, der könnte betroffen sein. Zusätzlich liegt manchmal auch eine Inkontinenz vor, was viele Betroffene nicht gerne thematisieren.“ In der Regel wird eine sogenannte Reizblase erst einmal medikamentös behandelt.

Die Erkenntnisse der chinesischen Medizin, dass es eine direkte neurologische Verbindung zwischen der Blase und einem Nerv etwa in Höhe des Schienbeins gibt (nervus tibialis), war der Ursprung von Queißerts Überlegung, diesen Zusammenhang zu nutzen. „Es gibt schon eine invasive, also operative, Methode in der Urologie, bei der ein Impulsgeber in den Fuß eingesetzt wird, der den betreffenden Fußnerv durch elektrische Impulse reizt und ihn so beruhigt. “ Queißerts Idee war, eine Möglichkeit der Elektrostimulation für den rein äußerlichen Gebrauch zu entwickeln, die die Patienten auch bequem zuhause selbst anwenden können – ein echter „Game Changer“ gegenüber der medikamentösen Behandlung oder einer Operation, wie er sagt. So nutzt er ein Neurostimulationsgerät, dessen Elektroden außen auf den Fuß geklebt werden und von dort für nur wenige Minuten täglich elekt-rische Impulse aussenden.

Die beiden Freundinnen sind zwei von im Moment zwanzig Studienteilneh-mern, weitere werden gesucht. Queißert geht von einer voraussichtlich 60- bis 70-prozentigen Ansprechrate der Probanden auf die Elektrostimulation aus. Sonja Gerberding und Sabine Jablonski berichten übereinstimmend von einer wesentlichen Verbesserung der Lebensqualität. Jablonski schildert eindrücklich, dass schon ein längeres Gespräch im Stehen vor der Behandlung mit dem Neuromodulator nicht möglich gewesen wäre. „Und auch die einfache Anwendung des Impulsgebers trägt dazu bei, dass sich das Verfahren ganz nebenbei ohne Probleme in meinen Alltag integrieren kann“ ergänzt ihre Freundin.
Nähere Infos zur TNT-Studie finden Sie hier.

Kontakt:
E-Mail: tnt@ukmuenster.de
Tel: +49-251-83-41660

Info:
Eingeschlossen werden in die Studie Patientinnen und Patienten zwischen 18 und 75 Jahren, die unter einer überaktiven Harnblase leiden (drangbedingter Urinverlust und / oder häufiger und starker Harndrang mit mindestens 8 Toilettengängen pro Tag). Eine Störung der Harnblasenentleerung sollte nicht vorliegen.

Bei der Studie findet ein Elektrostimulationsgerät Anwendung, mittels dem der Teilnehmer selbstständig und zu Hause an 15 Min / Tag über Hautklebeelektroden einen Fußnerv stimuliert. Im Rahmen des ersten Studienteils über sechs Wochen werden Teilnehmer im Zufallsprinzip auf eine Placebo-Stimulation oder die mutmaßlich wirksame Therapie verteilt. In den restlichen sechs Wochen erfolgt bei allen Teilnehmern die vermeintlich wirksame Elektrostimulation. Insgesamt drei Studienvisiten am Universitätsklinikum sind für die Teilnahme erforderlich, die voraussichtliche Eignung wird im Rahmen eines kurzen Telefoninterviews überprüft.

 

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