COVID-19 (Coronavirus SARS-CoV-2) und Parkinson-Krankheit

Liebe Parkinson-Betroffene und Angehörige in der Region Münsterland/Osnabrück,

seit einem Jahr beschäftigt uns nun die Coronapandemie, es ist weiterhin eine sehr dynamische Situation mit immer neuen Entwicklungen, insbesondere das Auftreten von mutierten Varianten und die beginnende Impfkampagne stehen aktuell im Vordergrund. Im Vergleich zum 1. Lockdown konnte und wurde die adäquate und bedarfsgerechte Versorgung von Patienten mit Morbus Parkinson bisher weitgehend aufrechterhalten. Verschiedene internationale Organisationen, Fachgesellschaften und Parkinson-Netzwerke, wie z. B. die „International Parkinson and Movement Disorder Society (MDS)“, haben Stellungnahmen und spezifische Informationen zum Coronavirus SARS-CoV-2 für Patienten mit Morbus Parkinson und atypischen Parkinson-Syndromen veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert (siehe Quellen). Wir haben hier die aus unserer Sicht wichtigsten Informationen zusammengefasst, diese wurden am 25.02.2021 aktualisiert.

Weitere Informationen finden Sie hier.

 

In Deutschland und in der EU sind bisher 3 Impfstoffe zugelassen (Pfizer/BioNTech, Moderna, Oxford/AstraZeneca bei Patienten unter 65 Jahren), 2 dieser Impfstoffe zeigten eine hohe Effektivität (>90%) in der Prävention einer SARS-CoV-2-Infektion (Pfizer/BioNTech, Moderna), aber auch der Impfstoff von Oxford/AstraZeneca zeigte eine hohe Effektivität bei der Verhinderung von schweren Krankheitsverläufen. Die bisherigen Studien, Anwendungsbeobachtungen und Erfahrungen mit den Impfstoffen lassen zum aktuellen Zeitpunkt folgende Schlüsse zu

  1. Die Impfung hat keine Auswirkung auf den neurodegenerativen Prozess bei Parkinson-Syndromen.
  2. Das Nebenwirkungsprofil nach Impfung unterschied sich bei Parkinson-Patienten nicht von dem Nebenwirkungsprofil der gesunden Probanden; insgesamt zeigten sich bei älteren Patienten geringere Nebenwirkungen als bei jüngeren Patienten.
  3. Wie auch bei anderen Impfungen gibt es keine Hinweise für eine Interaktion der parkinson-spezifischen Medikation und der Impfung gegen SARS-CoV-2.

Im Rahmen einer Infektion mit SARS-CoV-2 kann es dagegen zu einer deutlichen Verschlechterung der Symptome des Parkinson kommen (Cilia, Bonvegna et al. 2020). Zusätzlich haben Parkinson-Betroffene bei schweren Verläufen von Infektionskrankheiten jeglicher Art, wie z. B. auch der Influenzagrippe, oft mehr Komplikationen, insbesondere, wenn Lungenentzündungen auftreten. Dies ist gerade in fortgeschrittenen Krankheitsstadien der Parkinson-Krankheit relevant und gilt auch für Patienten mit atypischen Parkinson-Syndromen, wie Multisystematrophie (MSA) oder Progressive supranukleäre Paralyse (PSP). Bei diesen Patienten besteht aufgrund von krankheitsbedingten Atem- oder Schluckstörungen per se ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Lungenentzündungen.

Zusammenfassend empfehlen wir, analog zur Empfehlung der „International Parkinson and Movement Disorder Society (MDS), dass sich Parkinsonpatienten und Patienten mit anderen Bewegungsstörungen impfen lassen sollten, da die Vorteile einer Impfung deutlich überwiegen. Bestehen Zweifel bzgl. anderer Vorerkrankungen oder Therapien (Immunsuppression, Chemotherapie etc.) empfehlen wir eine vorherige Rücksprache mit dem Hausarzt oder jeweilig zuständigen Fachärzten.

Die Deutsche Parkinsonvereinigung (dPV) bietet unter 02131 740 27 25 montags und mittwochs jeweils von 8.30 bis 11.30 Uhr Unterstützung bei der Vermittlung von Impfterminen an, aktuell entsprechend der Priorisierung für Bürger über 80 Jahre.

Gibt es einen Zusammenhang von COVID-19 und Parkinson-Krankheit?

Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen SARS-CoV-2 und der Parkinson-Krankheit oder anderen Bewegungsstörungen ist derzeit nicht bekannt. Bisher liegen 3 konkrete Fallberichte vor, die die Entwicklung von Symptomen eines Parkinson-Syndroms im direkten zeitlichen Zusammenhang zu einer SARS-CoV-2-Infektion beschreiben (Li et al., 2020). Hierbei ist zu beachten, dass der zeitliche Zusammenhang noch keine Kausalität belegt, es ist durchaus möglich, dass bei den Fällen das Parkinson-Syndrom bereits bestand, aber so geringe oder keine Symptomatik verursachte, dass die Patienten es nicht bemerkten.

Bei all diesen Informationen gilt zu bedenken, dass unser Verständnis von SARS-CoV-2 noch nicht allumfassend ist und wir es weiterhin mit einer sehr dynamischen Situation zu tun haben. Die Bedeutung bestimmter Aspekte konnte bisher nicht geklärt werden, z.B., dass die Bindungsstelle für Coronavirus SARS-CoV-2 (sogenanntes Enzym ACE2) sich auch in verschiedenen Regionen des Gehirns u.a. dem Striatum findet, dass bei der Parkinson-Krankheit eine wichtige Rolle spielt. Auch ob es einen Zusammenhang zwischen der bei ca. 65% der Erkrankten mit SARS-CoV-2 beschriebene Anosmie und des bekannten Frühsymptoms einer Anosmie/Hyposmie bei der Parkinson-Krankheit gibt, ist bisher nicht geklärt. 

Ein erhöhtes Risiko, sich mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 anzustecken, besteht für Parkinson-Betroffene nicht (Stoessl et al. 2020, Papa et al. 2020), auch eine erhöhte Mortalität bei Parkinson-Betroffenen ist nicht nachgewiesen (Vignatelli et al., 2020, Yu et al., 2021). Insbesondere bzgl. der mutierten Varianten von SARS-CoV-2 und ihrer Auswirkungen ist unser Wissen aber noch sehr begrenzt und erst künftige Daten werden weitere Einblicke in die Risiken für Parkinson-Betroffene bieten können.

Wenn Sie die Diagnose eines Parkinson-Syndroms haben, an SARS-CoV-2 erkrankt waren und bereit wären ggf. einige Fragen zu beantworten, können Sie sich unter pnmplus(at)­ukmuenster(dot)­de melden.

Wenn Sie mit SARS-CoV-2 infiziert waren, im Anschluss Symptome und/oder die Diagnose eines Parkinson-Syndroms erhalten haben können Sie sich unter pnmplus(at)­ukmuenster(dot)­de melden.  

Müssen Patienten mit Morbus Parkinson oder atypischen Parkinson-Syndromen besondere Maßnahmen ergreifen?

Grundsätzlich müssen Parkinson-Betroffene keine besonderen Maßnahmen ergreifen. Wir halten es aber in Übereinstimmung mit der MDS-Stellungnahme schon aufgrund des oft höheren Lebensalters von Parkinson-Patienten für dringend erforderlich, die Bedeutung von Maßnahmen zum Schutz vor einer Infektion für alle Patienten mit Parkinson zu betonen und empfehlen dringend, die allgemeinen Maßnahmen und Vorgaben einzuhalten, um eine Exposition gegenüber dem Virus zu vermeiden. Zusätzlich zu den grundlegenden Empfehlungen an die Allgemeinbevölkerung empfehlen wir, den Austausch mit ihren behandelnden Ärzten für konkrete Empfehlungen zu suchen, die auf ihre individuellen Umstände zugeschnitten sind.

Das Robert Koch Institut gibt unter „Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2“ die folgenden Empfehlungen, um sich bzw. seine Mitmenschen bestmöglich vor einer Ansteckung zu schützen („Wie kann man sich bzw. seine Mitmenschen vor einer Ansteckung schützen?“; Stand 01.02.2021):

Zu den wichtigsten Maßnahmen in der Bevölkerung zählen Kontakte reduzieren, die AHA+L-Regeln beachten (Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmasken in bestimmten Situationen tragen und lüften) und bei akuten Atemwegssymptomen zu Hause bleiben. 

Auch aufgrund des Auftretens von mutierten Varianten des SARS-CoV-2 wurde durch die Bundesregierung zuletzt eine Verschärfung der Maskenpflicht beschlossen (OP-Masken oder FFP2-Masken in Bussen und Bahnen). Empfehlungen bzgl. der Hygienemaßnahmen und Kontaktbeschränkungen werden durch das RKI, die Landesregierungen und die Bundesregierung regelmäßig reevaluiert und aktualisiert, aktuelle Informationen stehen auf den Seiten der Gesundheitsämter(muenster.de - Münster in Westfalen: Corona), des RKI (RKI - Coronavirus SARS-CoV-2) und Landes NRW (Coronavirus | Das Landesportal Wir in NRW) zur Verfügung.

Wie soll ich mit meinen Arztterminen und meinen Terminen mit Therapeuten (Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie) umgehen?

Notwendige Arzttermine sollten wahrgenommen werden. Wenn Sie gesundheitliche Bedenken oder z.B. Symptome einer Atemwegsinfektion haben, rufen Sie Ihren behandelnden Arzt an, bevor Sie die Praxis aufsuchen. Wenn Sie eine neue Verschreibung von Parkinson-Medikamente benötigen und nicht in die Praxis kommen wollen oder eine persönliche Vorstellung in der Praxis nicht nötig ist, sollten Sie rechtzeitig Ihren behandelnden Arzt telefonisch kontaktieren, um ein neues Rezept zu erhalten. Rezepte sollten Ihnen nach Möglichkeit per Post übersandt werden. Sie können sich außerdem weiterhin nach der Möglichkeit sogenannter Televisiten erkundigen, bei denen der Arztkontakt elektronisch über Video (Smartphone, Tablet, Laptop etc.) erfolgt. Hierüber kann auch eine neurologische Untersuchung von Parkinson-Patienten erfolgen, weil viele Untersuchungsbestandteile gut visualisierbar sind (Papa et al. 2020).

Die aktivierenden Therapien sollten unter Beachtung der Hygiene- und Schutzmaßnahmen wahrgenommen werden. Längere Unterbrechungen sollten vermieden werden, um eine mittelfristige und oft dann nicht mehr vollständig reversible Verschlechterung von Symptomen, die nicht auf die medikamentöse Therapie ansprechen, wie z. B. Gang-, Sprech- und Schluckstörungen, zu verhindern. Parkinson-Betroffene können sich auch von Therapeuten in der Praxis beraten lassen, welche Übungen sie zu Hause als Heimübungsprogramm absolvieren können und ob diese ggf. durch eine Tele-Therapie unterstützt werden können.

Einen Überblick über die Erfahrungen verschiedener PNM+-Partner während der Pandemie können Sie hier einsehen.

 
 
 
 

Kontakt

Parkinsonnetz Münsterland+
Prof. Dr. med. Tobias Warnecke
Sprecher des PNM+
Facharzt für Neurologie
pnmplus(at)­ukmuenster(dot)­de

Dr. med. Inga Claus
Co-Sprecherin des PNM+
Funktionsoberärztin
Fachärztin für Neurologie
pnmplus(at)­ukmuenster(dot)­de