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Münster Es beansprucht mehr als 50 Muskeln und fünf Hirnnerven und dennoch ist der Trainingsstand bei Gesunden extrem gut: Mehr als 1000 Mal am Tag vollführen sie die „Übung“ mit Leichtigkeit: das Schlucken.
Für acht von zehn Parkinsonpatienten in Deutschland jedoch kann Schlucken im Verlauf ihrer Krankheit zur Qual werden. Nahrung und Flüssigkeit bleiben in der Kehle stecken und rufen Hustenanfälle bis zur Erstickung hervor. Langfristig drohen Mangelernährung, starker Gewichtsverlust und Dehydrierung. Zudem ist die neurogene Schluckstörung (Dysphagie) ein wesentlicher Risikofaktor für die Entwicklung einer Lungenentzündung - der häufigsten Todesursache für Parkinsonpatienten.
Bislang galt: Die klassischen Parkinsonmedikamente sind bei Dysphagie insbesondere in der späten Krankheitsphase nicht wirksam. Doch Münstersche Neurowissenschaftler haben nun das Gegenteil beobachtet: Levodopa, ein bewährter Wirkstoff zur Therapie des Parkinsonsyndroms, kann Schluckstörungen auch bei schwer betroffenen Patienten im fortgeschrittenen Stadium lindern.
Um den Effekt des Medikaments zu untersuchen, haben die Münsterschen Neurologen eigens eine aufwändige standardisierte Testmethode entwickelt: Mit einem flexiblen Videoendoskop filmten sie den Schluckprozess bevor und nachdem die Patienten das Präparat eingenommen hatten. Die Aufnahmen wurden verblindet und dann von mehreren verschiedenen Experten zwei Mal in einem Abstand von vier Wochen anhand eines Punktesystems bewertet.
Das so gewonnene Ergebnis ist sehr verlässlich und fiel für die Wissenschaftler überraschend eindeutig aus: „Der Einsatz der Substanz Levodopa hatte bei einigen Patienten bemerkenswerte Auswirkungen“, berichtet Oberarzt Dr. med. Tobias Warnecke, Leiter der Parkinsonambulanz an der Klinik für Allgemeine Neurologie des UKM. Vor Beginn der Behandlung litten alle 15 untersuchten Patienten unter Schluckbeschwerden, die sich im Test anhand eines Punktesystems nachweisen ließen: Einige „verschluckten“ sich weder bei flüssiger, noch bei fester Nahrung, andere konnten weder das eine noch das andere ohne größere Schwierigkeiten durch den Rachen in die Speiseröhre bringen. Nach Einnahme von Levodopa fiel das Schlucken sieben der Patienten nachweislich deutlich leichter. Ihr FEES-Test fiel um mindestens 30% besser aus als zuvor, bestätigten verschiedene Untersucher unabhängig voneinander. „Das ist ein Hinweis, dass die Levodopatherapie bestimmten Parkinsonpatienten mit Schluckstörungen hilft“, resümiert Prof. Dr. Rainer Dziewas, Leitender Oberarzt der Klinik für Allgemeine Neurologie und Mitautor der Studie. Zudem untermauert die Studie, dass der FEES-Test sehr gut geeignet ist, um im klinischen Alltag die Wirkung eines Parkinsonmedikaments auf die Schluckfunktion nachzuweisen. Jetzt gilt es, den Effekt auch in größeren klinischen Studien zu belegen. Patienten dafür gibt es genug: In Deutschland leiden rund 300.000 Menschen unter der Parkinson’schen Krankheit.
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