Unsere Arbeitsgruppe identifizierte 2007 einen neuen genetischen Risikofaktor, der mit einer Veranlagung zu wiederholten Aborten assoziiert ist. Im Regulationsbereich des Annexin A5 (ANXA5) Gens kommen mehrere Varianten vor, die gemeinsam einen Risikomarker (Risiko-Haplotyp) darstellen, und als M2/ANXA5 (RPRGL3 OMIM #614391), bezeichnet werden. Annexin A5 hemmt die Blutgerinnung und ist auf der Oberfläche (Chorion) der Plazenta (Mutterkuchen) angereichert (Abbildung). Durch unsere Studien und die weiterer Arbeitsgruppen konnten bislang gezeigt werden:
- Ca. 15% der europäischen Bevölkerung sind Träger von M2/ANXA5. Die bislang untersuchten Kohorten sind aus Deutschland, Italien, Bulgarien und UK. In der asiatischen Bevölkerung, bislang untersucht bei Japanern, ist die Verbreitung dieser Gen-Variante etwas geringer, um die 11%. Im Gegensatz dazu wurde M2/ANXA5 bei 42% der malaysischen Bevölkerung (austronesischen Ursprungs) nachgewiesen. Dazu passend ist die Häufigkeit von Spontanaborten in dieser Bevölkerung ziemlich hoch.
- Bei allen bislang untersuchten Patientengruppen ist die Trägerschaft von M2/ANXA5 mit einem um das 2-fach erhöhten Risiko für wiederholte Spontanaborte assoziiert.
- Dieses Risiko ist mit dem Risiko für Trägerinnen der ‘klassischen’ thrombophilie-assoziierten Risikofaktoren (Faktor V Leiden und Prothrombin, Faktor II) vergleichbar.
- M2/ANXA5 ist der einzig bekannte Thrombophilie-Faktor, der mit einem erhöhten Risiko für Frühaborte (hauptsächlich 10 – 15. Schwangerschaftswoche) assoziiert ist.
- Im Unterschied zu den Faktor V Leiden- und Prothrombin-Mutationen scheint M2/ANXA5 eine Wirkung auf die embryonale Antikoagulation (die natürliche Neigung gegen verstärkte Blutgerinnung) zu haben. Passend dazu belegen unsere Studien, dass auch die M2/ANXA5-Trägerschaft bei Männern mit dem etwa gleichen Risiko für wiederholten Aborte assoziiert ist wie bei Frauen.
- Kürzlich durchgeführte klinische Studien mit Heparin (niedrig-molekulargewichtigem Heparin, NiMH) bei schwangeren Frauen zeigten ein verringertes Abortrisiko bei Paaren, bei denen mindestens einer der Partner Träger von M2/ANXA5 ist.